Dr. Elke Eller - Loslassen
Shownotes
Sie gilt als eine der Wegbereiterinnen im modernen HR-Management und hat das Thema Führung aus vielen spannenden Perspektiven für sich weiterentwickelt. Elke Eller hat gelernt, loszulassen, um neue Chancen mit beiden Händen ergreifen zu können. Ihren Karriereweg prägen Stationen als Personalvorständin mehrerer Konzerne und als Verbandspräsidentin – heute bringt sie sich als Aufsichtsrätin, Mentorin und Dozentin ein. So vielfältig wie diese Erfahrungen ist auch das Gespräch über zeitgemäßes Führen. Wir fragen sie:
Ist KI im Personalmanagement eine Chance oder eine Gefahr?
Wie hat sich das Thema Führung in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?
Was sollten Führungskräfte über das Thema „Loslassen“ lernen?
Warum sagt sie: „Führen ist weiblich“?
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00: 00:00Elke Eller: Um loslassen zu können, muss ich mir natürlich auch Gedanken gemacht haben, was danach kommt und ich muss den Mut haben, eigentlich die Bereitschaft haben, mich auf Neues einzulassen. Und, wenn man als Vorstand über viele Jahre oder über Jahrzehnte arbeitet, da ist alles sehr eingeplant, sehr fest gestanzt. Und dann so einen Sprung ins kalte Wasser zu machen und sagen wir, mal gucken was morgen passiert, ich glaube das hat viel mit Ego zu tun.
00: 00:26Intro: lead:gut - Inspiration für Führungskräfte
00: 00:31Tobias Kirchhoff: Hallo, ihr hört lead:gut - Inspiration für Führungskräfte, den Management Podcast von TÜV Rheinland. Ich bin Tobias Kirchhoff und gemeinsam mit meinen Gästen bespreche und hinterfrage ich aktuelle Leadership-Konzepte und Ideen. Der legendäre chinesische Philosoph Laotse sagte zum Thema „Loslassen“: Wenn du loslässt, hast du zwei Hände frei, um etwas Neues zu ergreifen. Dieses zeigt, das Loslassen nicht nur bedeutet, etwas zu verlieren, sondern auch, neue Möglichkeiten zu schaffen. Wichtig dabei ist, den eigenen roten Faden beizubehalten und das hat mein heutiger Gast. Sie hat losgelassen und ihren eigenen roten Faden beibehalten. Unser heutiger Gast ist Dr. Elke Eller. Dr. Elke Eller ist promovierte Volks- und Betriebswirtin und hat alle Perspektiven von Führung eingenommen. In großen Konzernen, wie der Opel AG war sie Aufsichtsrätin der Arbeitnehmerseite und sie wechselte später als Personalvorstand bei VW und TUI auf die Arbeitgeberseite. Als Aufsichtsrätin bei Thyssenkrupp Steel sowie K&S bringt sie nun beide Erfahrungswelten ein. Sie war bis 2019 Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager. Heute hat sie eine Professur für strategisches Personalmanagement an der Hochschule Worms und sie ist Investorin und finanziert Startups. Des weiteren beschäftigt sie sich mit den Themen KI in der HR und ist dabei Co-Chair des Ethikbeirat HR-Tech. Sie wird auch bezeichnet als Wegbereiterin des modernen Personalmanagements. Ihr roter Faden, der sich durchzieht: Der Mensch in der Transformation. Herzlich willkommen, Elke Eller!
00: 02:16Elke Eller: Hallo, grüß dich!
00: 02:23Tobias Kirchhoff: So viele Tätigkeiten in 30 Jahren oder auch mehr. Mal Hand aufs Herz, welche Tätigkeit hat dir am meisten Spaß gemacht?
00: 02:34Elke Eller: Zuallererst will ich was anderes sagen. Immer, wenn ich das höre, über mich selbst, denke ich mir: „Wow, muss ich alt sein.“ Welche hat mir am meisten Spaß gemacht? Jede! Da gibt es doch diesen wunderbaren Film „Ein Herz und eine Krone“ - Welche Stadt hat ihnen am besten gefallen? Ich habe wirklich jede Tätigkeit, die du gerade genannt hast, wirklich - ich glaube, das zeichnet mich auch aus - mit großer Leidenschaft. Also, ich bin dann sehr fokussiert bei den Dingen, die ich mache. Und in Summe finde ich es eigentlich total faszinierend, dass ich jetzt zum Beispiel, wenn wir über Aufsichtsräte sprechen oder über die Führung von Unternehmen sprechen, tatsächlich schon auf allen drei Seiten gesessen habe, auf allen drei Bänken. So hat man das ja immer genannt. Also sprich, die ersten Jahre gestartet als Gewerkschaftsvertreterin auf der Arbeitnehmerseite, dann als Anteilseignervertreterin auf der Anteilseignerseite und natürlich eben auch als Vorständin. Also, ich mag es, die verschiedenen Akteure in der Arena zu kennen und wenn man die natürlich alle schon mal selber irgendwie gelebt hat, dann wird das fast spielerisch dann im Laufe der Zeit. Und das ist toll!
00: 03:42Tobias Kirchhoff: Gab es dann für dich ab und zu Interessenskonflikte, so innere, wenn du dann gemerkt hast, naja, du verstehst natürlich die Arbeitgeberseite, aber auch die Arbeitnehmerseite?
00: 03:54Elke Eller: Nein, nicht! Ich habe das so nie erlebt, weil für mich ist immer und das zieht sich auch bei mir durch, wie ein roter Faden, ich verstehe mich als Netzwerkerin. Ich hab immer an der Schnittstelle gearbeitet und habe immer versucht, zu dolmetschen, dass ein gegenseitiges Verständnis da ist und ein gemeinsames Ziel. Darauf zu fokussieren und die Menschen zusammenzubringen. Also, ich habe früher immer salopp gesagt: „Ich arbeite ja nicht der Tarifabteilung.“ Oder ich bin hier nicht mit der Trillerpfeife auf die Straße gegangen. Natürlich gibt es Interessenskonflikte zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Aber in den Rollen, in denen ich gearbeitet habe und das muss man ja auch sehen, heute würde man sagen, als Analystin habe ich gearbeitet. Ich habe Branchenanalysen gemacht, Bilanzanalysen gemacht, Enablement, Empowerment der Betriebsräte. Damals gab's die Begriffe noch gar nicht dafür, aber das ist es ja eigentlich. Das hat mich fasziniert als junger Mensch. Ich habe während meines Volkswirtschafts-Studiums die Wirtschaftsabteilung der IG Metall damals kennengelernt und habe gesehen, wow die arbeiten ja tatsächlich mit meinen Lehrbüchern, volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Bilanzanalyse. Und wenn man aus so einem trockenen Studium kommt, wo damals 600 Leute gleichzeitig in Frankfurt an der Uni saßen, im großen Hörsaal und dann sieht man, da sitzen zwölf, meistens Männer und eine Frau, die arbeiten damit tatsächlich. Und die befähigen Betriebsräte, damit die wirklich verstehen, wie man so eine Bilanz liest. Da krieg ich jetzt noch 'ne Gänsehaut, also das liebe ich einfach. Und diese, wie du sagst, gab es da für mich Interessenskonflikte? Es stehen immer Konflikte im Raum, aber genau die kann man ja aus unterschiedlicher Perspektive beleuchten und es geht ja immer darum, bei so einer Führung von einem Unternehmen die Themen nach vorne zu bringen. Oder ich habe ganz am Anfang meiner Karriere mal zwei Jahre beim Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft gearbeitet. Hat mich mein Sohn, mein 26-jähriger Sohn neulich gefragt: „Was das denn?“ Da ging es in den späten 80er-Jahren schon genau um das Thema „Einführung von neuen Technologien in kleinen und mittleren Betrieben unter der Beteiligung von Betriebsräten“. Nur, dass damals "neue Technologien" quasi die Einführung des PCs war. Also an dieser Schnittstelle zu arbeiten und immer mit der Power nach vorne die Menschen zusammen hinter ein Ziel zu bringen, weil letztendlich muss ein Unternehmen etwas erwirtschaften, damit es hinterher was zu verteilen gibt.
00: 06:06Tobias Kirchhoff: Da würde ich auch direkt mal einhaken wollen. Du bist ja Co-Chair des Ethikbeirats HR und du sprichst auch KI in der HR an. Wie siehst du das? Du siehst da ja eher die Chance drin, während ja viele Menschen, gerade auch die Arbeitnehmervertreter, Thema Datenschutz etc., da eher auch eine Gefahr des noch gläsernenen Arbeitnehmers sehen.
00: 06:31Elke Eller: Also vorausgesagt zu meiner persönlichen Haltung. Ich habe neulich den Satz, den wir alle kennen: Das Glas ist halb leer oder halb voll. Aber ich habe so eine wunderbare Interpretation davon gehört. Das heißt, Menschen, die das Glas eher halb voll sehen, die schöpfen aus der Fülle und freuen sich darüber. Menschen, die das Glas halb leer sehen, die haben immer Angst, das es bald leer ist. Und ich bin absolut jemand, ich sehe immer das Glas halb voll, ich sehe beides, ich sehe was, wenn wir über KI reden, ich sehe die Chancen, ich sehe natürlich auch die Risiken, aber die muss man bearbeiten. Also wenn wir jetzt KI nehmen, nehmen wir gleich ChatGPT, sozusagen das ganz aktuelle Thema. Italien hat es verboten, weil es nicht konform ist mit den Datenschutzrichtlinien. Das ist ein interessanter, sozusagen Move. Ich glaube auch gemessen an unseren eigenen Richtlinien, passt das nicht, können wir gerne in die Tiefe gleich gehen. Gleichwohl denke ich, jeder hat es heute auf seinem privaten Endgerät. Es wird nicht funktionieren, dass man Dinge einfach verbietet. Man muss irgendwie überlegen, wie man es gestalten kann. Und deshalb bin ich immer eine Vertreterin, sehr analytisch, sehr sachlich zu gucken, was sind die Fakten, Factfinding, erstmal ein Abwägen von Chancen und Risiken und dann aber immer versuchen, die Dinge nach vorne zu entwickeln.
00: 07:51Tobias Kirchhoff: Ja, zumal wir leben ja auch in einer globalisierten Welt und wenn einzelne Länder Themen verbieten, dann wird sich ein anderer Weg finden lassen, dann über über andere Kanäle damit weiterzuarbeiten.
00: 08:03Elke Eller: Genau! Und lass mich das vielleicht gerade an der Stelle, weil du ja konkret den Ethikbeirat angesprochen hast, gleich die beiden Aspekte noch nennen. KI oder wir haben es ja dann genannt, wir haben eigentlich gestartet mit dem Begriff der KI, wir sind dann aber übergegangen zu HR Tech. Weil in vielem, was wir erleben, steht ja KI drauf, aber es ist gar keine künstliche Intelligenz drin. Und auch da meine Begeisterung, besteht dafür, dass viele technologische Tools, digitalisierte Tools, HR so wunderbar unterstützen können, dass Routinetätigkeiten fast automatisiert werden können und der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin im Personalbereich tatsächlich dafür Zeit hat, worum es eigentlich geht, nämlich für den Mensch. Weil das ist ja mein anderes Mantra, der Mensch steht für mich im Mittelpunkt der Arbeitswelt. Und das finde ich, ist ein ganz wichtiger Punkt. Und das zweite ist natürlich, dass wir Richtlinien dann formuliert haben, entwickelt haben, zehn Richtlinien, wo wir bewusst über die Grenzen hinausgegangen sind: Arbeitgebervertreter, Gewerkschaftsvertreter der DGB ist drin, Politik, Wissenschafft, die verschiedenen Fachrichtungen in der Wissenschaft, um so eine Guideline zu entwickeln. Nicht einfach die Leute darauf loszulassen, sondern auch hier wieder ein Verständnis zu entwickeln, dass Personaler/Personalerinnen wissen, was sie tun, damit sie auch die Verantwortung dafür übernehmen können.
00: 09:27Tobias Kirchhoff: Ein sehr, sehr spannendes Thema, wie ich finde und das wird uns nicht nur heute, sondern ich denke auch in Zukunft begleiten. Wir springen jetzt mal zurück, weil du hast ja dann eigentlich schon mal wieder losgelassen vom Thema „Führung“, sondern der Mensch in der Transformation. Ich würde jetzt ganz gerne nochmal auf das Thema „Führung“ eingehen. Du warst ja 30 Jahre, du hast ja gesagt, auf den verschiedenen Bänken. Wie hat sich das Thema „Führung“, also die Führung von Menschen, das Management von Menschen entwickelt?
00: 09:57Elke Eller: Das ist natürlich ein langer Zeitraum und wenn ich jetzt so an meine Anfänge zurückgehe, wo ich gearbeitet habe, da habe ich ja damals erst mal angefangen als Referentin in Einfachen, also ich meine klar, ich habe studiert, bin dann reingekommen, aber ich war nicht sofort Chefin. Und wenn man mal überlegt, das war ja sehr autoritär, das war eine klare Ansage in verschiedenen Organisationen jetzt. Das war eine klare Ansage, Top-down, das ist die Aufgabe, die ist zu tun. Es war häufig auch ein parallel Arbeiten, also ich war ja immer schon Wissensarbeiterin. Das war ja nicht selten, dass eine Führungskraft zwei Aufträge vergeben hat und dann geschaut hat, was ist das bessere Ergebnis, das bessere genommen hat und Feedback gab es keins, by the way. Wenn du mich fragst, wie hat sich das entwickelt? Später, als ich dann selber in Führungsfunktionen war, hat mir mal ein Mitarbeiter, der hat sich sehr, sehr herzlich bedankt für ein Feedbackgespräch und hat gesagt: „Frau Eller, ich bin jetzt neun Jahre in dieser Organisation und ich hatte noch kein einziges Feedbackgespräch bisher gehabt.“ Für mich war das eine Selbstverständlichkeit, als Chefin, Feedbackgespräch zu geben, weil es ja auch immer das war, was ich in meiner frühen beruflichen Laufbahn immer vermisst habe. Also, dieses Top-down war ganz zentral. Was war noch zentral in der Zeit? Auch teilweise, ja sogar Bottom-up, also dass es untersagt war, dass man als normale Mitarbeiter/Mitarbeiterin sozusagen, die Hierarchie, den Abteilungsleiter überspringt und an die Ebene etwas weitergibt, an die Ebene oben drüber. Also die Aufforderung, das nur zu kanalisieren über den Abteilungsleiter, fand ich immer schon total abstrus. Und ich genieße das heute so sehr, dass man einfach über die Hierarchien hinweg oder in flachen Hierarchien gemeinsam am Tisch sitzt und themenzentriert arbeitet und jeder bringt ein, was er oder was sie dazu zu sagen hat. Und dritter und letzter Punkt, was ich sagen will. Mir hat mal früher, wie gesagt, da musste ich jetzt wirklich, ganz kramen in meinem Kopf, meine Erinnerung an meine frühe Berufstätigkeit. Da sagte jemand, du wirst erst hier gesehen werden als Abteilungsleiter/Abteilungsleiterin. Der hat natürlich von der Abteilungsleiter gesprochen. Also, du wirst erst gesehen werden auf der Ebene der Abteilungsleiterin, unten drunter, wird gar nicht wahrgenommen. Jetzt war ich, wie gesagt, Hochschulstudium, immer im Wissensbereich tätig. Und ich habe das später natürlich auch gemerkt, wenn du da noch in die Werke gehst oder anderes Beispiel, dass man früher, wirklich früher auch üblich war, die Chefs von ganz oben, die spricht man gar nicht an. Ich finde es furchtbar! Ich bin in die Werke gegangen und habe jeden gegrüßt, sowie in meinem Heimatdorf, ich hab jeden gegrüßt.
00: 12:36Tobias Kirchhoff: Wie haben die reagiert?
00: 12:38Elke Eller: Erst mal irritiert und dann aber hat sich das und ich war dann richtig, richtig stolz drauf, das hat sich dann durchgesetzt. Und kürzlich habe ich eine Frau getroffen aus einer früheren Organisation, wo ich tätig war, die hat gesagt: „Ja, ja, die Eller-Methode, da sprechen wir immer noch drüber." Und ich fand es großartig. Das sind kleine, kulturelle Aspekte, aber für mich ist es wichtig, dass man den Mensch sieht. Das fängt ja an, ich komme wo rein und sage „Guten Morgen, guten Tag, wie geht's?“ und nicht einfach nur die Humanressource, die ihre Arbeit verrichtet. Also lange Rede, kurzer Sinn, in meiner Spanne, die ich überblicken kann, mehr als 30 Jahre, hat sich Führung massiv verändert und das ist auch gut so, weil es hat sich auch drum herum alles verändert. Führung ist ja wie so ein Brennglas. Aber wenn wir mal schauen, warum musste sich das denn ändern? Nicht, weil die Menschen sich selber alle so gern, glaube ich, geändert hätten, das gar nicht so sehr vielleicht. Sondern, wenn ich mal schaue, die Arbeit an sich hat sich verändert. Wir sitzen hier in einem tollen Studio, heute in einem tollen New Work Environment. Wir haben gerade gehört, viele sind unterwegs auf Workshops oder arbeiten von Zuhause. Also die Arbeitswelt an sich, also der Fakt, dass wir heute orts- und zeitunabhängig arbeiten können, das war ja in unserer Jugend anders. Also bei uns standen ja noch, ich glaube, da können wir von uns beiden sprechen, die Aktenordner noch im Regal hinter uns und man musste die mit nach Hause schleppen.
00: 14:01Tobias Kirchhoff: Bei mir schon nicht mehr so viele, ich hatte viel auf Diskette.
00: 14:04Elke Eller: Ah, okay! Nein, nein, nein, da bin ich noch ein paar Jahre vorweg. Und die Organisationsformen haben sich verändert. Früher hatte man dieses Boxing ganz klar, Hierarchie von oben nach unten, jeder hatte seine Visitenkarte, ganz wichtig, Statussymbole. Es waren ganz strenge, starre Organisationsformen, heute haben wir fast fluide Netzwerke mittlerweile. Also, wir sind dann die Wege gegangen über Projekte, über Matrix-Organisationen. Heute sprechen wir von fluiden Netzwerken. Also, die Organisationsformen haben sich verändert. Die Menschen haben sich verändert, der Mensch an sich, die junge Generation heute, die Gen Y, die Gen Z sind ganz anders groß geworden, nicht nur durch die Digitalisierung, sondern auch im Umgang miteinander. Also das Thema „Feedback“, was ich vorhin angesprochen hatte. Die sind gewohnt, das sie Feedback bekommen, dass man Zielvereinbarungen mit ihnen macht. Wenn ich junge Menschen in der Arbeitswelt treffe, die schon von den Schulen aus gewohnt sind, so groß geworden sind, dann erwarten die das natürlich auch im Berufsleben, im Arbeitsleben. Werteorientierung, den Purpose zu suchen in der Arbeit, was ich toll finde, also weg von einer taylorisierten Arbeitsteilung und jeder macht nur eine Handbewegung den ganzen Tag - also alles tolle Eigenschaften. Und der letzte Punkt oder eigentlich sogar der erste Punkt, ist natürlich die Digitalisierung. Und das ist ja auch das Spannende, das jetzt Digitalisierung, was Digitalisierung möglich macht, auf der einen Seite und auf der anderen Seite jetzt die Menschen, die Arbeitswelt, die sich verändert hat. Und da sehe ich halt die Führungskraft an sich, wie durch so ein Brennglas betrachtet. Die haben jetzt alles auf dem Hof. Und selbst, wenn die Führungskraft jetzt aus der Babyboomer-Generation kommt, muss sie sich darauf einstellen, was sich da gerade drum herum alles verändert. Aber das ist auch das Spannende daran.
00: 15:45Tobias Kirchhoff: An dieser Stelle machen wir eine kurze Unterbrechung, die ich für einen Hinweis nutzen möchte. Wenn ihr Fragen, Anregungen oder eigene Themenvorschläge habt, dann schreibt uns gerne eine Mail an leadgut@tuv.com oder besucht uns auf unserer Webseite tuv.com/leadgut. Und wenn euch unser Podcast gefällt, freuen wir uns natürlich, wenn ihr ihn abonniert oder eine gute Bewertung schreibt oder am besten beides. Das war es auch schon. Weiter geht's mit dem Gespräch mit Elke Eller zum Thema „Loslassen“.
00: 16:20Tobias Kirchhoff: Du hast ja eben schon von der Eller-Methode gesprochen, beziehungsweise du als Wegbereiterin des modernen Personalmanagements. Was hast du dann angeschoben in den letzten Jahrzehnten? Wo sagst du, das sind so die wichtigsten Sachen, die ich auch bei einem veränderten Environment gemacht habe.
00: 16:42Elke Eller: Also vielleicht zwei Sachen. Ich habe ein inneres Navigationssystem. Das hat mir immer sehr geholfen, mich nicht so sehr von irgendwelchen Hypes, die gerade ganz in sind, das zwar immer sachlich anzugucken, aber mich nicht davon treiben zu lassen, sondern ich habe ein inneres Navigationssystem. Und was ist mein inneres Navigationssystem? Der Mensch steht im Mittelpunkt für mich, wo du dann gesagt hast: „Ja, das klingt aber altmodisch.“ - das ist mir aber eigentlich egal, weil es ist meine Sichtweise. Der Mensch im Mittelpunkt der Arbeit und da drum herum rankt sich dann eigentlich alles. Also Personaler sind ja auch sehr häufig, wenn, es ist halt wichtig Prozesse einzuführen. Das ist für mich ein notwendiges Tool, das ist ein notwendiges Handwerkszeug. Aber mir geht es immer um das Ergebnis. Und es kann eben sein die Mitarbeiterbefragung: Wie spiegeln denn Mitarbeiter zurück, wie sie die Führungskräfte sehen im Unternehmen? Was sie denken,zum Beispiel hohe Fehlzeiten, was sie denken, woran das liegt, dass man dem nachgeht, dass man dem nachforscht. Ein zweiter Aspekt, was ich angestoßen habe. Ich nenne das eigentlich People Strategy, weil Personal muss mehr sein, als nur die Tools zur Verfügung stellen. „HR“, dieser Begriff „Human Ressourcen“ zur Verfügung stellen, kommt aus den Anfängen des Industriezeitalters. Der Finanzer hat halt eben das Geld zur Verfügung gestellt und der Personaler, das Personal. Davon wegzukommen und zu sagen, hey, das sind Menschen, und ich will die auch behandeln wie Menschen. People Strategy geht jetzt aber über diesen menschlichen Aspekt hinaus. Ich habe vor Jahren, das war noch bestimmt 2 / 3 Jahre vor Corona war eine Aussage der Wirtschaftsweisen gewesen, dass in dem nächsten Jahrzehnt, also das war noch in den 10er Jahren, der Faktor Mensch, so ausgedrückt die Wirtschaftsweisen, der Bottleneck in der Wirtschaft sein wird. Da habe ich "Hurra" geschrieen, weil ich gesagt, genau das ist doch der Punkt. Wir haben leider wenig getan. Insgesamt gesellschaftlich. Fachkräftemangel ruft du heut jeder, und auch in den Unternehmen, und wenn du fragst, was hab ich angestoßen, wirklich zu schauen, was ist die Unternehmensstrategie, und das muss man sehr individuell sehen, da hilft keine Blaupause. Da ist jedes Unternehmen anders, da war VW anders als TUI dann hinterher, ganz unterschiedliche Branchen, Automobilindustrie, Herstellung, das andere Tourismus, Service mit dem Menschen. Und was ist die passende Strategie, wenn ich die verantwortliche bin in der Rolle als Personalvorständin für die Menschen, damit wir eben genau nicht in diesen Bottleneck reinkommen, jetzt vom betriebswirtschaftlichen her gedacht, aber auch von den Menschen her gedacht, dass die Spaß daran haben, dass die einen Purpose sehen in ihrer Arbeit, dass sie gerne arbeiten, und das muss natürlich dann auch hinterlegt werden mit KPIs. Da hilft es halt nicht, dann nur sozusagen große Schlagworte an die Wand zu werfen, sondern das muss dann auch umgesetzt werden und überprüft werden, ob es wirkungsvoll ist, und wenn es halt nicht wirkt, dann muss ich es auch sein lassen.
00: 19:48Tobias Kirchhoff: Ist denn inzwischen modernes Personalmanagement flächendeckend in Deutschland zu sehen?
00: 19:55Elke Eller: Ich glaube, das ist ein ganz bunter Flickenteppich im Augenblick. Aber auch da, ich sehe immer die Chancen. Ich finde sogar gerade das kleine und mittlere Betriebe, und ich bin jetzt auch in letzter Zeit gerade von Unternehmern angesprochen worden, eher auch aus dem kleinen und mittelbetriebs Bereich. Zum Beispiel, in Hessen gibt es, die erste Frau ist Innungspräsidentin des Handwerks, und da wurde ein Frauennetzwerk ins Leben gerufen, und ich hatte, die haben mich gefragt nach einem Impulsvortrag, und mir ist aufgefallen, gerade wenn man in diesen mittelständischen, eigentlich sehr sehr traditionellen Familienbetrieben im mittelständischen Bereich ist, dass da eigentlich ganz viel große Chancen drin liegen, weil die haben ja gar nicht dieses Gestanzte, was wir aus den deutschen, DAX- und Großkonzernen kennen, sondern die haben noch den Kontakt zum Mitarbeiter. Ist das flächendeckend? Nein, überhaupt nicht! Es gibt alle Facetten, und die Schwierigkeit finde ich eigentlich, dass ja selbst in den Unternehmen, und das ist vielleicht auch ein Thema, wo man sich wirklich Gedanken darum machen muss, dass selbst im Unternehmen ja verschiedenste Stilrichtungen da sind. Da ist vielleicht die ITAbteilung, die schon sehr modern arbeitet und sehr modern geführt werden muss, und da ist vielleicht die Finanzbuchhaltung, die vielleicht nicht nach OKRs arbeitet und nicht unbedingt agile arbeiten muss. Also selbst im Unternehmen gibt's die Stilbrüche, und da sind wir in so einer spannenden Phase. Das kommt mir vor wie wirklich so ein Sprung nach vorne gerade, und da wird gerade viel ausprobiert. Wir sprechen ja immer gerne von Best Cases. Mir wäre eigentlich recht, dass wir irgendwie von First Cases sprechen, dass wir uns einfach angucken, neue Unternehmen angucken, wo es funktioniert, und uns da was abgucken, um nicht jedes mal das Rad neu erfinden zu müssen, aber sich Stück für Stück was abzugucken und zu modernisieren.
00: 21:56Tobias Kirchhoff: Und im besten Fall werden dann diese First Cases zu Average Cases, und wir bekommen eine Weiterentwicklung auf breiter Flur hin. Wenn wir uns jetzt mal die einzelne Führungskraft anschauen, inwieweit ist für die das Thema loslassen wichtig?
00: 22:16Elke Eller: Loslassen hat ja immer was mit Ego auch zu tun. Also ich wurde zum Beispiel, als ich mich entschieden habe zu dem Zeitpunkt, wo klar war, ich gehe jetzt auf die 60 zu, und wo ich mich entschieden habe, ich höre jetzt, mit der Art von Arbeitsleben, beende ich jetzt. Ich mach zwar ganz viel nach wie vor, aber es kommt, esnfängt jetzt eine neue Lebensphase für mich an, wurde ich ganz viel gefragt. Ja, bist du dir sicher, meinst du das wirklich? Wirst du das nicht bereuen? Nein, ich hab's nicht bereut, und ich wurde gefragt von wirklich Menschen mit professionellem Hintergrund, und zwar, sie sind dann immer auf die Statussymbole gekommen. Also, macht dir das denn dann nichts mehr aus, wenn du nicht als Frau Vorständin begrüßt wirst? Ja, macht dir das dann nichts aus, wenn kein Dienstwagen mehr hast? Nee, dann kaufe ich mir selber Auto. Macht dir das nichts aus, wenn du, und dann kommen die ganzen Statussymbole. Um loslassen zu können, muss ich mir natürlich auch Gedanken gemacht haben, was danach kommt, und ich muss den Mut haben, eigentlich die Bereitschaft haben, mich auf Neues einzulassen. Und wenn man als Vorstand über viele Jahre oder über Jahrzehnte arbeitet, da ist alles sehr eingeplant, sehr fest gestanzt und dann so einen Sprung ins kalte Wasser zu machen und sagen wir mal gucken, was morgen passiert. Ich glaube, das hat viel mit Ego zu tun.
00: 23:29Tobias Kirchhoff: Du hast mal an einer Stelle gesagt, Führung ist weiblich. Um jetzt auch wieder so ein bisschen auf das Thema Führung zu kommen. Was meinst du damit?
00: 23:41Elke Eller: Ja, ich sage das immer gerne provokant, ich meine es aber auch so. Ich glaube, dass viele Attribute von moderner Führung, schreiben wir eigentlich eher Frauen zu, also Zuhören zum Beispiel, Weiterentwickeln, überhaupt Entwickeln, Menschen entwickeln, Verständnis zu haben für die Mitarbeiter. Es ist halt eben nicht mehr der General, der auf dem Hügel steht und den Truppen befiehlt, in welche Richtung es gehen muss, sondern es ist vielleicht ein bisschen leiser, ein bisschen zurückhaltender und verständnisvoller für die individuellen Bedürfnisse. Gleichwohl sind wir natürlich jetzt nicht im privaten Umfeld und irgendwie nicht im kompletten Wellnessbereich, sondern das natürlich immer kombiniert mit Leistung, logischerweise. Also, bei all dem muss natürlich in dem Unternehmen Leistung am Ende stehen. Aber diese Attribute, glaub ich, die sind eher weiblicher Natur, die man eher Frauen zuschreiben würde. Jetzt will ich nicht sagen Schwarz-weiß, die einen sind nur so, die anderen sind nur so.
00: 24:40Tobias Kirchhoff: Das ist klar, aber Frage dann dazu, wenn Führung weiblich ist, und das ist modern, wieso haben wir da nach wie vor so wenig weibliche Top Führungskräfte?
00: 24:51Elke Eller: Na ja, da verändert sich ja gerade sehr viel. Also, wenn ich dran denke, in meiner Anfangszeit war ich fast immer die erste. In den Top Führungspositionen, die ich dann hatte, war ich definitiv die erste. Als ich früher in den Aufsichtsräten saß, hieß es immer, sehr geehrte Frau Eller, meine Herren, und ich bin im am Anfang zusammengezuckt, weil ich dachte, meint er jetzt mich? Und ich bin stolz darauf, dass ich immer Frauen nachgezogen habe, by the way, dass mir Frauen gefolgt sind. Aber ich musste mich immer damit auseinandersetzen, wurde dann immer so gesagt, ja, der hat Große Schuhstapfen da hinterlassen, und ich habe dann irgendwann für mich ich gesagt, naja, ich habe Größe 38, ich werde meine eigenen Fußabdrücke entwickeln. Das wird halt nicht in diese 43er Größe, das wird anders aussehen. Wenn ich jetzt heute sehe, da ist es ja oft, da haben wir schon mehrere Frauen, wir haben schon durch die Gesetzesvorgaben, wir haben Frauen in den Aufsichtsräten. Man sagt ja auch, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und wir sind jetzt in einer Phase, wo mehrere Frauen in den Führungsgremien sitzen und damit auch die Chance wächst, tatsächlich eine Kultur verändern zu können. Wenn ich, wie gesagt noch mal, in meiner Anfangszeit war es eben, war die prägende Kultur männlich, und es gab eine Frau, und das verändert sich aber gerade, und ich glaube, das wird auch zunehmend noch mehr werden.
00: 26:07Tobias Kirchhoff: Du hast gerade gesagt, der weibliche Führungsstil ist eher leiser, zurückhaltender. Könnte da vielleicht auch eins der Probleme liegen, dass wir noch nicht weiter sind, weil sich Frauen eher zurückhaltend benehmen oder, anders formuliert, dass Männer eher die Bühne für sich nutzen?
00: 26:26Elke Eller: Absolut, ich kann dir da auch gerne ein Beispiel dafür geben. Ich habe in meinen Jahren als Personalvorständin genau einmal die Situation gehabt, dass eine Frau kam auf eine ausgeschriebene Abteilungsleiterstelle, von sich aus den Hut in den Ring geworfen hat und gesagt hat, ich möchte mich dafür bewerben. Ansonsten kamen immer Männer, die nach ihrer eigenen Einschätzung befunden haben, dass sie die Richtigen wären. Zweitens, ich habe die Erfahrung gemacht, das ist auch durch viele Studien mittlerweile belegt, Frauen müssen quasi 100 % davon überzeugt sein, dass sie das beherrschen würden, was man von ihnen da in Zukunft verlangen wird. Während bei Männern, kennt man aus vielen Studien, die sagen so Pi mal Daumen, wird schon. Also, da ist eine andere Selbstverständlichkeit, andere Herangehensweise da, und ich glaube, ja, das macht viel aus. Ich habe vorhin gesagt, leise, ich habe es mal so benannt: Männer sind sehr gut im Projekte Bearbeiten, auch in Projekte Darstellen, auch leistungsorientierte Projekte Durchziehen, immer projektbezogen. Frauen gucken das ja immer eher so ganzheitlich an, und ich hab das mal als bei Beispiel dann, Ich habe noch nie ne Mutter gesehen, die ihr Kind aus Haus gehen lässt ohne Schuhe, und sagt, ich war ja nur für die Strümpfe zuständig. Also dieses Archaische vielleicht auch. Jetzt will ich ja nicht so arg reingehen, aber es ist immer von Frauen, die haben eher so einen ganzheitlichen Blick auf die Dinge, die lassen keinen stehen. Das ist eigentlich im Sinne von Unternehmensführung, wie wir heute rangehen, durchaus von Vorteil. Aber Männer sind da eher in der ersten Reihe, ergebnisorientierter und auch Darstellen von Ergebnissen oft lauter oder besser oder, also sie stehen einfach in der ersten Reihe.
00: 28:11Tobias Kirchhoff: Wir sind jetzt schon fast am Ende unseres kurzen Gesprächs. Ich habe noch ganz viele Fragen auf meinem Zettel, aber die können wir vielleicht an anderer Stelle dann auch noch mal diskutieren. Ich würde dich jetzt bitten, dass Du uns vielleicht gerade für Frauen, weil wir sind ja gerade bei dem Thema, für Frauen, die sich in der Führung weiterentwickeln wollen, die das machen wollen. Was ist der eine Tipp, den du diesen Frauen mitgibst, damit sie dieses Ziel, was sie haben, selbstbewusst erreichen können?
00: 28:44Elke Eller: Einfach machen, sich trauen und machen, Punkt. Aso, das ist der Tipp. Und warum? Sich nicht zu sehr zu hinterfragen und sich nicht zu sehr selbst in Frage zu stellen, sondern sich trauen, rauszugehen und das eben auch zu zeigen, zur Disposition zu stellen, da muss man dann auch vielleicht, ja, vielleicht ist es eben noch nicht perfekt, vielleicht ist es eben noch nicht gut, perfekt muss es ohnehin nicht sein, aber sich dann auch der Diskussion zu stellen, und da braucht es dann auch eine Resilienz, sich dann auch gegebenenfalls mit der Kritik auseinanderzusetzen. Aber ich glaube, der erste und wichtigste Schritt ist: einfach machen.
00: 29:22Tobias Kirchhoff: Liebe Elke, ich danke dir für dieses Gespräch und an Euch da draußen ein herzliches Dankeschön fürs Zuhören. Das war eine weitere Folge von lead:gut. Mein Name ist Tobias Kirchhoff, und ich hoffe, ihr kehrt inspiriert in euren Arbeitsalltag zurück und bleibt neugierig.
00: 29:42Outro: lead:gut, Inspiration für Führungskräfte.
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