Michael Jacobsen-Rey - Zeitgemäßes Führen

Shownotes

Führen, ohne disziplinarischen Zugriff – geht das? Das kommt ganz darauf an! Worauf genau, das besprechen wir mit Michael Jacobsen-Rey. Obwohl er selbst nicht mehr in Personalverantwortung ist, bleibt er ein wichtiger Einflussfaktor auf die Führungsqualität in deutschen Unternehmen: Denn sein Leadership-Coaching prägt auch heute zahlreiche Führungskräfte – vor allem im Mittelstand. Er vertritt dabei einen ganzheitlichen Ansatz: Es geht nicht nur darum, dass Mitarbeitende ihre Arbeit erledigen. Jacobsen-Rey öffnet den Blick für das Gesamtpaket, mit dem Führungskräfte Vertrauen schaffen und Orientierung geben. Und dieses beginnt bei der Führungskraft selbst!

‌ Was hat Selbstführung und Authentizität damit zu tun?

Warum ist es wichtiger, die Stärken meiner Mitarbeitenden zu kennen, als ihre Schwächen?

Und wie erkenne ich, wie frei ich meine Mitarbeitenden führen sollte?

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Tobias Kirchhoff: Michael. Weißt du, wer Père Joseph war? Oder José?

Michael Jacobsen-Rey: Nein, weiß ich nicht.

Tobias Kirchhoff: Also, es ist ein französischer Name. Pére Joseph. Das war ein französischer Kapuzinermönch. 16, 17. Jahrhundert. Sagt dir nichts?

Michael Jacobsen-Rey: Nein, sagt mir nichts.

Tobias Kirchhoff: Es war der engste Berater damals von Kardinal Richelieu.

Michael Jacobsen-Rey: Okay.

Tobias Kirchhoff: Und es war eine der einflussreichsten Persönlichkeiten zu diesem Zeitpunkt in der Welt. Und der trat kaum in Erscheinung. Und er hatte eine graue Kutte. Und weil er eine graue Kutte trug und nur einem eingeweihten Kreis bekannt war, nannte man ihn dann auch die graue Eminenz.

Michael Jacobsen-Rey: Das hört sich bekannt an, ja.

Tobias Kirchhoff: Warum erzähle ich dir das?

Michael Jacobsen-Rey: Weil ich glaube, Führung hat nicht notwendigerweise damit zu tun, dass ich eine Position bekleide, eine offizielle, sondern Führung hat ganz viel mit Einfluss zu tun.

Intro: lead:gut. Inspiration für Führungskräfte.

Tobias Kirchhoff: Liebe Hörerinnen und Hörer, unser heutiger Gast: Michael Jacobsen-Rey. Michael Jacobsen-Rey ist Berater und Coach von Topentscheidern und Nachwuchsführungskräften und ist seit Jahrzehnten in diesem Beratung- und Coachinggeschäft unterwegs. Er selbst hat Unternehmen geleitet, gesteuert und gegründet und trägt sein Wissen quasi als Influencer in die Welt hinaus. Ich habe ihn kennengelernt in einem Coaching Seminar, in dem ich wiederum sehr viel von ihm über Führen gelernt habe. Und darüber wollen wir heute sprechen. Zeitgemäßes Führen, Empowerment, Selbsterkenntnis von Managern. Und vielleicht erfahren wir auch, was Klaus und Karl damit zu tun haben. Lieber Michael, ich freue mich sehr, dass du hier bist.

Tobias Kirchhoff: Coaching ist ja ein sehr vertrauliches Geschäft oder auch Berater, deswegen ja auch graue Eminenz im Verborgenen. Auf der anderen Seite, wir sind ja hier unter uns. Welche Unternehmen tragen das Qualitätssiegel Coached by Michael Jacobsen-Rey?

Michael Jacobsen-Rey: Ja, das sind natürlich eine ganze Menge im Laufe der Jahre geworden. Wir sind vordringlich im mittleren Bereich unterwegs, aber wir haben auch ein paar Großkunden, bei denen wir sehr viel gerade dafür gemacht haben, Führungskräfte aus dem Oberen ins Topmanagement zu bringen. Eine sehr große Versicherung in Baden-Württemberg, die dort den größten Marktanteil hat. Und mit denen haben wir jetzt acht Jahre lang die Führungskräfte aus dem oberen Management ins Topmanagement begleitet. Das sind immer 2-jährige Lehrgänge, Kurse, wie immer man das nennen will, aber wirklich letzten Endes Coaching auch der einzelnen Personen, um sie vorzubereiten auf diese Aufgabe im Topmanagement.

Tobias Kirchhoff: Ich würde direkt einsteigen wollen mit der Frage: Zeitgemäße Führung, grundsätzlich, was ist das? Und auch die Frage: Was ist es nicht?

Michael Jacobsen-Rey: Zeitgemäße Führung für uns ist, dass wir wirklich unsere Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, beeinflussen, sie in die Richtung bringen, in die wir sie gerne haben wollen. Das heißt, es geht darum, Vertrauen aufzubauen. Auf der anderen Seite auch die Leute mitzunehmen. Und für mich ist es immer wirklich extrem wichtig, oben anzufangen. Das heißt für mich Vision, Mission, Strategien, Ziele. Und wenn wir die nicht haben, was wir auch gesehen haben, oder wenn die so kompliziert sind, dass die Menschen sie nicht verstehen, dann wird es sehr schwierig. Das heißt, die erste Führungsaufgabe ist, eine Orientierung zu geben, dafür zu sorgen, dass die Menschen in meinem Bereich, ob es Führungskräfte sind oder Mitarbeiter, dass die verstehen, was wir eigentlich wollen, was das Unternehmen will, was wir als Kultureinheit. Ich würde immer sagen Führungskräfte insgesamt ist eine Kultureinheit, wie wir vorgehen wollen und wo wir hinwollen. Das ist für mich mit das Wichtigste.

Tobias Kirchhoff: Ja, ich kann mich erinnern, dass wir auch sehr viel über Ganzheitliches Führen, das war so ein Begriff in diesem Zusammenhang. Inwiefern ist dieses Thema ganzheitliches Führen wichtig dafür?

Michael Jacobsen-Rey: Das ist natürlich entscheidend. Wenn ich mit meinen Führungskräften und mit meinen Mitarbeitern etwas erreichen will, dann reicht es eben nicht, Befehle zu erteilen und dann zu gucken und zu prüfen. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist nicht so gut, sondern das ist natürlich der falsche Weg. Das heißt, wir wollen ganzheitlich mit den Leuten arbeiten, wir wollen ihnen in allen Bereichen helfen, sich zu finden. Das ist eine Persönlichkeitsentwicklung, die ich auch als Führungskraft übernehme und dann mit diesen Menschen gemeinsam, mit meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, gemeinsam die Ziele zu erreichen und gemeinsam Spaß zu haben. Ich glaube, dass diese Zwei Komponenten, Arbeit zu erledigen, Aber auch Spaß zu haben, ist für mich das, was wir insgesamt erreichen wollen. Und wenn wir das schaffen, dann kommt der dritte Begriff noch dazu. Dann ist es hoffentlich für den Mitarbeiter sinnvoll, was er macht. Und dieses sinnvolle Arbeiten führt dazu, dass ich lieber in die Arbeit gehe, als am Schreibtisch zu sitzen und nichts zu tun. Dieser Sinn bringt mich nach vorne.

Tobias Kirchhoff: Nennt man ja heute neudeutsch Purpose. Ja, aber Sinn, Haltung galt das auch schon vor 30 Jahren?

Michael Jacobsen-Rey: Ich glaube nicht. Als wir angefangen haben, die Firma aufzubauen, haben wir angefangen, wirklich über diese Dinge nachzudenken und sie mit einzubauen. Und es gibt so Untersuchungen, einmal von der Uni Innsbruck, die darüber nachgedacht haben, wann ist eigentlich Arbeit für mich als Arbeitnehmer sinnvoll? Und da gibt es ein paar Begrifflichkeiten und Kriterien, zum Beispiel Kohärenz. Ist ein schwieriges Wort, aber es heißt nichts anderes als die Arbeit, die Tätigkeit und auch die Rolle, die ich einnehme, passt zu mir. Ich habe immer das schöne Beispiel Meine Frau, die ist eine sehr gute Mitarbeiterin, aber sie würde niemals als Führungskraft oder als Trainer auftreten wollen, weil das nicht zu ihrer Persönlichkeit passt. Und sie wäre sehr unglücklich, wenn sie das machen müsste. Das heißt also, wir müssen immer gucken, Ist der Mensch in der Rolle richtig und ist der Mensch mit der Tätigkeit zufrieden? Wenn das beides stimmt, dann haben wir eine Grundvoraussetzung dafür geschaffen, dass ich meine Arbeit als sinnvoll erachte und sie auch gerne tue. Und das zweite, das kam vorhin schon mal so durch, ist der Beitrag. Der Beitrag, den ich zum Unternehmen leiste, ist für mich als Mitarbeiter ganz, ganz wichtig. Und wenn zum Beispiel mein Chef oder mein ehemaliger Chef mir nahebringen kann, was eigentlich mein Beitrag zum Unternehmen ist und wie wichtig der ist, dann würde ich zum Beispiel auch in der Firma bleiben und nicht die Firma verlassen. Das sind so Dinge, die natürlich dann zusammenspielen. Dazu kommen dann noch zwei andere Dinge, die nicht so ganz wichtig sind wie Kollegialität. Sehr wichtig. Aber Rahmen und Regeln der Firma, die müssen stimmen. Wenn das nicht stimmt, dann bin ich nicht zufrieden und sehe es nicht sinnvoll an. Aber diese vier Begrifflichkeiten zusammen machen den Sinn aus in meiner Arbeit und wenn ich den erkenne und das ist die Aufgabe der Führungskräfte, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter das erkennen, dann bin ich gut drauf.

Tobias Kirchhoff: Darauf wollte ich nämlich genau zurück. Wir sind jetzt schon quasi bei Mitarbeitern und ich habe deinen Ausführungen entnommen das ist ja quasi der letzte Punkt, dass ich sage Komm, der Mitarbeiter, der muss den Sinn in seiner Tätigkeit sehen, damit es auch Spaß macht. Das finde ich übrigens auch extrem wichtig. Wir starten jetzt noch mal vorne, das heißt, die Führungskraft und wir unterscheiden später noch mal vielleicht eine Top Führungskraft und eine mittlere Führungskraft. Aber die Führungskraft muss sich mit sich selbst beschäftigen, an sich selbst arbeiten, bevor sie mit dem Mitarbeiter arbeiten kann.

Michael Jacobsen-Rey: Absolut. Das Thema Selbstführung und auch das mit sich selbst im Reinen sein sind zwei wichtige Dinge, die glaube ich, sehr viele Führungskräfte nicht für sich reklamieren und auch nicht angehen. Wenn wir beraten, gehen wir sehr stark auf die Selbstführung ein, weil wir glauben und auch festgestellt haben, dass wenn ich als Führungskraft mich selbst nicht führen kann, dann habe es ich sehr schwer, andere zu führen.

Tobias Kirchhoff: Was meinst du mit selbst führen? Zeitmanagement oder was spielt da noch mit rein?

Michael Jacobsen-Rey: Zeitmanagement ist gut, man kann die Zeit nicht managen, sondern man kann nur sich managen in der Zeit. Und deswegen ist das Selbstmanagement wirklich etwas, wie ich mit mir umgehe und wie ich meine Umgebung für mich aufbaue, die muss stimmig sein und ich muss natürlich, ich mache mal ein Beispiel. Wenn ich nicht pünktlich bin, werden meine Mitarbeiter auch nicht pünktlich sein. Das heißt, meine Selbstführung ist ganz wichtig dafür, wie die Umgebung, mit der ich arbeite, wie das funktioniert. Und das heißt, das muss ich erst mal bei mir festzurren und fertig kriegen. Das ist also die Selbstführung. Und dazu gehört natürlich dann Dinge wie, wie gehe ich mit meiner Zeit um? Das Thema Selbstmanagement. Aber die Selbstführung ist mehr, ich muss dafür sorgen, dass ich sowohl vom Physischen als auch vom Psychischen in der Lage bin, eine Führung richtig vernünftig umzusetzen.

Tobias Kirchhoff: Ja. Und inwieweit ist dann neben dem Selbstmanagement auch das Bild des anderen wichtig?

Michael Jacobsen-Rey: Das Bild des Menschen, mit dem ich zusammenarbeite, das ist natürlich extrem wichtig. Wenn ich das Bild nicht kenne, kann ich auch nicht vernünftig führen. Das heißt, ich muss mich führen können. Aber ich muss natürlich verstehen, wer ist da vor mir, was sind seine Motive, was sind seine Stärken vor allen Dingen. die Schwächen sind nicht ganz so wichtig. Ich glaube, wenn wir uns auf die Stärken konzentrieren, das ist auch so die positive Psychologie, die an einigen Unis ist, dann kann ich auch damit arbeiten. Also ich muss den Menschen kennen. Und wir empfehlen allen Führungskräften, regelmäßig Mitarbeitergespräche zu führen. Zum Beispiel wir nennen das Evaluationsgespräche, mit den Leuten darüber zu reden, wie es ihnen geht. Weil ich glaube, das große Manko, was wir in der Führung haben, ist, dass da wir alle keine Zeit haben, wir leider auch nicht so häufig mit unseren Mitarbeitern sprechen. Und das ist eine der großen Lücken, die ich sehe, so dass die Führung eben nicht so gut wird, wie sie sein könnte. Ein ganzheitliches Bild von Mitarbeitern kriege ich nur, wenn ich mit ihnen viel zu tun habe und nicht nur an einem Arbeitsplatz in Anführungszeichen, sondern auch mit ihnen rede, mal ohne dass es um die Arbeit geht. Nur dann kann ich verstehen, wer er ist. Dann kann ich verstehen, wo seine Motive liegen. Dann kann ich verstehen, was ihm gut gefällt, was ihm gut von der Hand geht und was nicht so gut von der Hand geht. Das wäre so das ganzheitliche Bild. Und das muss dann wieder passen mit der Arbeitstätigkeit, die wir vorhin gerade ansprachen.

Tobias Kirchhoff: Ja, wir sind schon wieder bei Mitarbeitern. Also letztlich geht es dann ja auch um Authentizität gegenüber dem Mitarbeiter und ernsthaftes Interesse, weil der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, die werden ja merken, wenn ich nur nach Schema F abfrage und eigentlich kein wirkliches Interesse habe. Aber nochmal wieder zurück zur Führungskraft. Also du sprachst ja von zwei Sachen. Das eine die Selbstreflexion und das andere auch schon, wie sollen wir es nennen? Selbstfindung, Authentizität, was ihr auch stärkt oder Wirksamkeit? Selbstwirksamkeit?

Michael Jacobsen-Rey: Ja, Authentizität heißt für mich, Ich habe als Mensch ein System von Werten. Und wenn ich diese Werte lebe, dann bin ich authentisch. Das heißt, ich muss natürlich dafür sorgen, dass ich selbst weiß, wo meine Werte sind, die ich erreichen will, mit denen ich arbeiten will, mit denen ich leben will. Wenn die stimmen, dann bin ich klar in meiner Ausstrahlung und dann bin ich auch in der Lage, rüberzukommen, so wie ich bin.

Tobias Kirchhoff: Du sprachst auch eben davon, also wir sind noch bei der Führungskraft, Stärken stärken und nicht so sehr auf die Schwächen schauen. Inwieweit hat das mit dem Mindset zu tun? Das ist ja ein sehr positiver Ansatz zu sagen hey, das was ich eh kann, will ich nur verbessern. In Deutschland achten wir ja, so empfinde ich das eher auf Glas ist halb leer, wir schauen eher da, wo sind Defizite? Und das ist ja ein Mindset-Thema, oder?

Michael Jacobsen-Rey: Ja, Mindset ist für mich auch eine zentrale Einheit .Auch bei uns in den Trainings und Coachings ist Mindset für uns eigentlich der wesentlichste Begriff. Weil die Einstellung entscheidet ja darüber, was ich mache und wie gut ich es mache. Und wenn ich in ein Gespräch gehe mit jemand anderen, dann ist es natürlich fatal, wenn mein Mindset negativ stünde. Das heißt unsere Empfehlung ist immer, selbst wenn ich mit Menschen zu tun habe, die ich nicht so gut leiden kann, dann sollte mein Mindset mindestens auf neutral stehen. Aber wenn er positiv steht, bin ich in der Lage, Dinge zu unternehmen, Dinge zu machen, fallen mir Dinge viel leichter. Ich habe viele Beispiele in meinem Leben gehabt, wo ich mit negativen Mindset zum Beispiel hinter der Bühne stand, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, den Vortrag, den ich jetzt halten muss, der wird nicht gut. Und dann kann man eben sowohl über die Psyche als auch über den Körper das wieder in den Griff kriegen. Der Mindset wird ganz stark beeinflusst von unserer Körperhaltung.

Tobias Kirchhoff: Bleiben wir auch mal genau in dieser Situation. Was hast du da gemacht? Also du hast da hinter der Bühne gestanden, wahrscheinlich nen Vortrag gehalten und dann hast du "ach ich bin nicht gut drauf oder ich habe gerade irgendwas erlebt, was mich runterzieht". Was macht man dann in dem Moment?

Michael Jacobsen-Rey: Um das Beispiel vielleicht noch etwas klarer zu machen, es war eine Bühne, da saßen 3000 Leute im Dunkeln. Vor mir sprach ein Professor über objektorientierte Programmierung, kriegte viel Beifall. Ich stand hinter der Bühne und sollte einen Vortrag halten, den ein Mitarbeiter von mir erarbeitet hatte. Und mein Englisch, es war übrigens in Texas, mein Englisch war nicht so gut. Und dann stand ich hinter der Bühne wie so ein Fragezeichen und dachte, das geht alles schief. Wie kannst du das nur machen? Und dann habe ich mich wirklich hingestellt, Habe meinen Rücken gerade gemacht und habe gesagt nein, das was du kannst, ist gut. Und die Leute warten draußen auf diesen Vortrag. Die warten auf das Produkt, was du vorträgst. Und jetzt gehst du raus und es geht alles gut. Das heißt, es ist die Selbstbeeinflussung, die das ist. Ich bin rausgegangen, ein bisschen nervös natürlich, und dann ging es gut. Das heißt, die Einstellung des Mindsets können wir innerhalb von Sekundenbruchteilen ja beeinflussen. Und darüber müssen wir uns klar sein, dass der Körper und der Geist in dem Falle wirklich zusammenlaufen. Ich kann es über den Körper mit beeinflussen, einen positiven Mindset zu bekommen.

Tobias Kirchhoff: Das ist ja ein bisschen Handwerk, also dass ich sage, das kann ich ja lernen, das kann ich trainieren. Inwieweit ist denn für dich Führung reines Handwerk oder auch Kunst? Oder ich nenne es noch mal anders, das Zusammenspiel zwischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Wie viel Prozent ist mir gegeben und wie viel Prozent muss ich lernen? Wie würdest du das sehen?

Michael Jacobsen-Rey: Den Mythos gibt es ja, Führungskraft ist angeboren. Ja, das halte ich auch für einen Mythos. Natürlich gibt es Menschen, die es einfacher haben, mit anderen Menschen umzugehen und auch ein gutes Verständnis dafür haben, wo es hingeht und was man tut. Aber es gibt eben ganz viele Dinge, Fertigkeiten, die man lernen kann und die man auch lernen sollte. Ich nehme immer das Beispiel Wenn ein durchschnittlicher Pilot so gut ausgebildet wäre wie eine durchschnittliche Führungskraft, dann würde ich in kein Flugzeug steigen. Das heißt, es gibt also Dinge auf jeden Fall, die man lernen kann, die man sich näher bringen kann und die man natürlich üben muss. Das heißt, wann immer wir mit Menschen arbeiten, versuchen wir nicht nur, Theorie zu vermitteln, sondern Praxiswissen und dafür zu sorgen, dass die Menschen das auch in der Praxis anwenden. Bevor wir das nächste Mal wieder zusammenkommen, weil diese Praxisperioden einfach unabdingbar sind. Das heißt, ich kann sehr viel lernen. Es hat natürlich auch damit zu tun, das ist für mich auch ein Credo, ich muss Menschen mögen. Wenn ich Menschen nicht mag, dann sollte ich keine Führungsposition übernehmen. Das ist für mich eine ganz wichtige Eigenschaft. Allerdings kommen wir nachher noch mal auf die Top Führungskräfte und da ist es ein bisschen anders, glaube ich.

Tobias Kirchhoff: Ja, das wäre auch jetzt genau meine Frage. Also nicht die Top Führungskräfte, sondern erst noch mal das Thema Fähigkeiten. Und du hast es gerade angesprochen. Ich glaube Empathie, man muss ja kein Philanthrop sein, aber man muss schon den Menschen zugewandt sein. Das heißt, Leadership ist dann einfach auch mehr als Management?

Tobias Kirchhoff: Auf jeden Fall. Auf jeden Fall. Management ist für mich wirklich das Umsetzen von bestimmten Aufgaben, wobei da natürlich auch Führung mit reinspielt. Aber Führung hat mit drei Dingen zu tun. Das ist, wie ich vorhin schon sagte, die Vision, das heißt die Richtung, die Orientierung. Das Zweite ist der Sinn, die Sinnhaftigkeit der Arbeit, die muss ich vermitteln können. Und das Dritte und wahrscheinlich Wichtigste ist, ich muss mit Veränderungen umgehen können. Wenn ich als Führungskraft nicht Veränderungen bewältigen kann, bin ich nicht mehr lange in meiner Position. Das wissen wir alle. Die Zeit ist so hart in dem Wechsel, dass wir einfach mit Veränderungen umgehen können müssen. Das sind die drei Dinge, die da zusammenkommen und die ich, ich sage mal, als Führungskraft benötige.

Tobias Kirchhoff: Man lernt ja am besten beim Selbst tun und zusammen mit Vorbildern. Braucht es Vorbilder im Bereich der Führung?

Michael Jacobsen-Rey: Ich glaube, Vorbilder können helfen. Ich kenne Menschen, die keine Vorbilder hatten und trotzdem gute Führungskräfte geworden sind. Aber ich hatte zwei Vorbilder und das eine war mein direkter Vorgesetzter, als ich bei einer Firma anfing, bei der ich 15 Jahre war. Und dieser Mensch war ein sehr empathischer, ein sehr sympathischer und ein sehr bestimmter Mensch. Und ich glaube, da kommt zusammen, dieses Ich kann sehr positiv mit Menschen reden und trotzdem hart in der Sache bleiben. Und das war für mich das Vorbild. Hart in der Sache, weich zu Menschen. So kann ich sehr viele Dinge erreichen. Das war mein direkter Chef, der auch mir. Das war das erste Mal, dass ich überhaupt eine Führungskraft wurde. Ich war in einem Büro, der erste als Systemanalytiker. Dann kamen zwei weitere hinzu und mein Chef sagte zu mir So, Michael, jetzt bist du Teamleiter. Und dann habe ich gesagt Okay, was heißt das jetzt, Josef? Und da hat er gesagt Wirst du schon rausfinden. Das heißt, er hat mir eine sehr lange Leine gegeben, hat mir sehr viel Raum gegeben, um die Dinge auszuprobieren und zu machen. Und natürlich, wenn ich Fragen oder Probleme hatte, bin ich zu ihm gegangen und er hat mir geholfen. Also das war für mich ein ganz großes Vorbild. Und das zweite Vorbild war tatsächlich der CEO dieser Firma, ein Texaner, der in Kalifornien saß, den ich auch mehrfach gesehen habe, mit dem ich auch zusammen unterwegs war. Und der hatte eben das Motto Work hard and have fun. Wir sprachen vorhin schon drüber, das hat mich wirklich geprägt. Wir haben immer hart gearbeitet, sehr viele Stunden geschrubbt damals. Aber wir haben auch viel Spaß gehabt, selbst in der harten Arbeit oder auch nebenbei. Also das ist etwas, was ganz, ganz wichtig ist für mich. Work Hard vielleicht noch ein bisschen smarter als nur hard und dann Spaß haben. Und die beiden haben mich doch sehr stark geprägt in dem, wie ich meine Führung dann ausgebaut hat.

Tobias Kirchhoff: Ich würde direkt auf dein erstes Vorbild eingehen. Da bist du ja quasi die klassische Karriere gegangen. Guter Facharbeiter. Hey, der macht seinen Job gut. Also mache ich den jetzt auch zur Führungskraft, weil er ja seinen Job besser machen kann als andere. Was macht das mit einem? Also wenn ich jetzt Mitarbeiter bin und bin dann Führungskraft, was verändert sich da für mich als Führungskraft?

Michael Jacobsen-Rey: Ich glaube, eines ist ganz wichtig, das ist die Wahrnehmung. Ich habe zwei Jahre gebraucht, bis ich wahrgenommen habe, was Führung heißt, wirklich. Ich hatte ein Meeting mit meinen Leuten. Das waren inzwischen dann zehn. Hab die mal zu Hause eingeladen und dann sagte einer von denen, Michael Vor zwei Jahren hast du aber gesagt, und dann kam ein Zitat. Und da habe ich gemerkt, das ist ja ganz furchtbar schön, Die Leute hören zu. Die Leute merken sich das, und du beeinflusst die. Das heißt, das war für mich so der erste Schritt, wo ich gemerkt habe, als Führungskraft hast du nicht nur die technischen Aufgaben, die wir damals ja auch noch hatten, weil das alles kleine Gruppen waren, sondern du hast die Aufgabe, tatsächlich die Leute mitzunehmen und ihnen den Weg zu zeigen. Und ja, sie hören zu und sie reagieren auf das, was tatsächlich kommt. Das war für mich so der erste Schritt in die Führung hinein.

Tobias Kirchhoff: Und wenn wir dann weiterdenken, also von der ich sag mal Sandwichmittelschicht, Führungskraft zu einer Top Führungskraft, also CXO Ebene oder Geschäftsführungsebene, wo ist da dann nochmal der Unterschied zur mittleren Führungsebene?

Michael Jacobsen-Rey: Ja, du hast ja gerade gesagt, das ist das Top-Management und du hast nicht gesagt, das ist die Top-Führungskraft. Und ich glaube, wir haben da einen Unterschied. Es gibt Topmanager und wir kennen die alle. Ich habe vorhin von einer Versicherung gesprochen, die hatten zwei Vorstände. Der eine Vorstand, der auch für Human Resources zuständig war, war ein sehr empathischer, auch harter, aber sehr empathischer Typ. Der andere hat sich nicht darum gekümmert, was die Menschen dachten, sondern der hat die Firma nach vorne gebracht. Er hatte nur seinen Aufgabenblick auf Wie kann ich diese Firma die nächsten zehn Jahre wieder richtig positionieren? Als Mensch, muss ich sagen, hatte ich, war ich froh, dass ich mit dem nichts zu tun hatte. Wir kennen alle den leider verstorbenen Chef von Apple, der auch nicht den Ruf hatte, eine gute Führungskraft zu sein. Aber er war ein guter Topmanager und ich glaube, dass da Unterschiede sind. Die Führungskräfte im unteren und mittleren Bereich haben ja vor allen Dingen die Aufgabe, die Leute mitzunehmen, ihnen den Weg zu zeigen und gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen. Die Top Führungskräfte haben die Aufgabe, die Firmen am Leben zu erhalten, in die richtige Richtung zu bringen. Und ich glaube, da spielt nicht so sehr die Rolle, dass sie das jetzt empathisch an ihre Menschen rüberbringen. Da ist, glaube ich, für mich der große Unterschied.

Tobias Kirchhoff: Bleiben wir mal bei den Top Führungskräften. Die Top Führungskraft arbeitet ja mit den Mitarbeitern oder mit ihren Führungskräften zusammen. Du hattest es vorhin schon erwähnt, der Umgang mit den Führungskräften, Kommunikation. Was ist da wichtig von Führungskraft in Richtung Mitarbeiter neben der Authentizität, Dass ich mich auch öfter mit meinen Mitarbeitern mal unterhalten soll, dass ich mich für den interessieren soll, was ist da noch wichtig?

Michael Jacobsen-Rey: Neben der Authentizität, die natürlich einfach da sein muss, damit ich glaubwürdig bin, kommen natürlich Dinge dazu wie Orientierung. Das hatten wir schon gesagt. Die Vision, vor allen Dingen im mittleren und unteren Bereich, die Ziele, Welche Zielsetzungen habe ich, wo will ich hin? Für mich auch wichtig, es gibt einen Kaarmafragebogen, den wir auch in unserem Training verwenden. Da steht das zweite A für Aktualisierung.

Tobias Kirchhoff: Ganz kurz. Kaarmafragebogen. Was ist das?

Michael Jacobsen-Rey: Das ist ein Fragebogen der, Kaarma übrigens mit Doppel A, geschrieben von einem Dr. Nico Rose ist, den man auch kennt am Markt, der für die positive Psychologie steht. Und dieser Fragebogen ist ein Aufwärtsfeedback, nennt er es, für Führungskräfte im mittleren und oberen Bereich. Das heißt, wenn ich diesen Fragebogen ausgefüllt bekomme von meinen Mitarbeitern, dann kriege ich sehr viel Feedback darüber, wie ich als Führungskraft wirke. Und da hat er eben diese sechs Begriffe genommen, von denen der zweite Aktualisierung ist. Und den finde ich ganz spannend, übrigens ist das alles sehr ähnlich mit dem, wie wir es machen, aber deswegen freut mich das besonders. Hat ganz starke Überschneidungen. Die Aktualisierung heißt etwas ähnliches wie die Kohärenz. Ich muss gucken, wo meine Mitarbeiter stehen und ich muss sie entwickeln und ich muss gucken, in welche Richtung sie entwickelt werden können und vielleicht auch sollen. Das heißt, nicht jeder wird in die gleiche Richtung entwickelt. Das dritte ist Respekt. Ich glaube, das wissen wir alle. Das haben wir auch. Wir wollen ja Kollegialität haben. Das geht wieder in die Richtung Kollegialität, Respekt. Dann gibt es den Mehrwert. Den haben wir auch schon angesprochen. Ich muss sehen, dass meine Mitarbeiter, wenn sie denn nicht verstehen, welchen Mehrwert sie erzielen für das Unternehmen, dass man ihnen das klar macht, weil das wiederum zur Sinnhaftigkeit beiträgt und ihnen mehr Motivation gibt, in ihrer Arbeit weiterzumachen. Und das Letzte A, das nennt sich Autonomie. Und da kommt der Begriff, den wir in unseren Arbeiten schon seit 20 Jahren haben, nämlich Empowern.

Tobias Kirchhoff: Ja.

Michael Jacobsen-Rey: Das heißt, wir wollen immer gerne dafür sorgen, dass wir unsere Mitarbeiter weiterentwickeln. Und am schönsten ist es natürlich, wenn ich einen Mitarbeiter habe, der total empowered ist, weil er alles kennt, weiß. Ich habe in unserem Training ein Beispiel immer, das nennt sich Karl und Klaus. Ich weiß nicht, ob wir da Zeit dafür haben.

Tobias Kirchhoff: Wir nehmen uns die Zeit. Wer sind Karl und Klaus?

Michael Jacobsen-Rey: Ich erzählte davon. Ich war der erste Systemanalytiker und wurde auf einmal Teamleiter. Mein Chef sagte zu mir Du wirst schon rausfinden, was Teamleiter heißt als Führungskraft. Und dann kamen die nächsten beiden Kollegen und das waren der Karl und der Klaus. Und die hießen auch so. Das ist tatsächlich. Vielleicht hören sie es dann im Podcast. Auf jeden Fall, der Karl war jemand, der alles wusste schon. Der hätte auch Teamleiter sein können, der sehr engagiert war, der sehr weit war in dem, was er sah, was er tun wollte. Und wenn ich eine Kundenansprache hatte, dann habe ich dem Karl nur gesagt Ruf bei dem Herrn XY an. Und dann hat er angerufen und hat die Arbeiten erledigt. Das heißt, er war engagiert, er war fähig, er konnte alles machen und er ist zurückgekommen und hat mir irgendwann dann gesagt das war's. Und der andere, das war der Klaus. Und da haben wir eben dann die Aufgabe gehabt, den weiterzuentwickeln. Dem musste ich Schritt für Schritt vorgeben, was er tun sollte, mit wem er sprechen sollte, wie das weiterging und wo er wann wieder mich anrufen sollte, damit wir abstimmen konnten, was er tut. Das heißt, der war nicht so weit. Und diesen weiterzuentwickeln, um in Richtung Empowerment zu gehen, das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die eine Führungskraft hat.

Tobias Kirchhoff: Ja, Inwieweit ist das situatives Führen?

Michael Jacobsen-Rey: Das ist situatives Führen. Genau. Das heißt, wir haben verschiedene Stufen im Führen. Das erste ist, im Prinzip geben wir alles vor, in der zweiten ist es mehr ein Trainieren, in der dritten ist es mehr ein Sekundieren. Das heißt jeweils werden dann die Zielsetzungen gemeinsam abgestimmt oder vorgegeben, erst vorgegeben, dann gemeinsam abgestimmt. Und in Empowern ist es so, dass man eigentlich nur noch die Zielsetzung anspricht und der Mitarbeiter alles von alleine macht.

Tobias Kirchhoff: Zum Abschluss eine letzte Frage. Welchen einen Tipp gibst du unseren Hörerinnen und Hörern mit?

Michael Jacobsen-Rey: Ich glaube, vor allen Dingen für Führungskräfte, die neue Führungskräfte sind, ist es wichtig, gelassen zu bleiben und nicht alles auf einmal machen zu wollen. Und dazu gehört auch, wenn ich neu bin und ich bin vielleicht aus der Mannschaft herausgekommen als Führungskraft, dann sollte man nicht den starken Max spielen, sondern dann sollte man versuchen, empathisch mit Leuten umzugehen. Und meine Regel heißt immer hart in der Sache, weich zum Menschen.

Tobias Kirchhoff: Ich nehme mit aus diesem Gespräch Führung ist Empowerment und das gelingt mir in der Kommunikation auf Augenhöhe. Und mit dem richtigen Mindset kann ich mit dem Team gestalten, im Team gestalten. Und ich nehme mal das Zitat von deinem Vorbild Work hard, have fun. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig Spaß zu haben.

Tobias Kirchhoff: Heute haben wir mit Michael Jacobson Ray über zeitgemäße Führung gesprochen und in einer späteren Folge werden wir Michael noch einmal zu Gast haben. Und dann tauchen wir nämlich tiefer in das Thema ein effektives Coaching. Und da werden wir vom Meister persönlich Tipps und Tricks hören. Auf was muss ich als Führungskraft achten? Wie gehe ich vor? Was sind wichtige Sachen? Lieber Michael, vielen Dank für das Gespräch und ich freue mich sehr auf deinen nächsten Besuch bei uns.

Michael Jacobsen-Rey: Vielen Dank auch.

Tobias Kirchhoff: Ja, und an euch da draußen ein herzliches Dankeschön fürs Zuhören. Das war eine weitere Folge von lead:gut und ich freue mich sehr, wenn ihr Anmerkungen, Fragen, Kritik oder Lob habt. Schreibt mir an leadgut@tuv.com oder besucht uns im Internet unter tuv.com/leadgut. Ich hoffe, ihr kehrt jetzt inspiriert voller Tatendrang in euren Arbeitsalltag zurück. Ich bin Tobias Kirchhof. Bleibt neugierig.

Outro: lead:gut. Inspiration für Führungskräfte.

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