Anja Förster - rebels@work

Shownotes

„Hier läuft alles reibungslos!“ Aussagen wie diese sollten uns aufhorchen lassen. Dafür plädiert unser Gast in der aktuellen Folge von „lead:gut“, Anja Förster. Sie hat das Netzwerk „Rebels at work“ gegründet und ruft zum konstruktiven Rebellentum in Unternehmen auf. Gerade Führungskräfte sollten öfter einmal innehalten, einen Störer setzen und fragen: „Sind wir noch auf dem richtigen Weg?“ Tobias Kirchhoff hakt nach, was das mit ihrem Kalendereintrag „Zeit für die Birne“ zu tun hat und wir erfahren noch viel mehr:

Warum sollte man umso ruhiger werden, je schneller die Welt sich dreht? Welche Wege führen aus der Überforderung ins Handeln? Was ist der ultimative Lackmustest für Glaubwürdigkeit und gelebte Unternehmenswerte?

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Anja Förster: Das ist natürlich sehr leicht, sich in dieser wie du sagst VUCA- oder auch BANI-Welt quasi von dieser unglaublichen Taktung der Veränderung und der Herausforderung überrollen zu lassen, sich so zu fühlen, eigentlich wie unter einer Dampfwalze. Man liegt da und sagt irgendwie, was kommt denn noch alles? Das ist so, und die gute Nachricht, Ironie aus ist: heute ist der langsamste Tag unseres Lebens. Das wird alles noch schneller, noch volatiler werden. #00:00:30-2#

Intro: lead:gut, Inspiration für Führungskräfte. #00:00:36-6#

Tobias Kirchhoff: Hallo, ihr hört lead:gut, Inspiration für Führungskräfte, den Managementpodcast vom TÜV Rheinland. Ich bin Tobias Kirchhoff, Führungskraft beim TÜV Rheinland, und gemeinsam mit meinen Gästen Spreche und Hinterfrage ich aktuelle Leadershipkonzepte und -Ideen. Mit zwei Jahren beginnen Kinder, sich als Individuum von den Eltern abzugrenzen. In dieser Trotzphase bilden Kinder ihren eigenen Willen, und das reicht vom ständigen "Nein" sagen bis hin zu ausgewachsenen Wut- und Heulanfällen. Mein heutiger Gast plädiert dafür, dass wir auch als Erwachsene im Arbeitsleben öfter mal deutlich "Nein" sagen. Ob wir dann Wutanfälle benötigen, werden wir mit ihr besprechen. Anders, rebellisch sollen wir sein, sagt sie, und wie das für uns preußische Deutsche gelingen kann, wie wir ohne Geländer denken können oder sollen, das verrät uns jetzt Anja Förster. Anja ist nicht nur Bestellerautorin, Keynote-Speakerin und leidenschaftliche Vordenkerin für die Arbeitswelt von morgen, sie ist auch Gründerin der Initiative rebels@work, einer Community, einer Plattform, die sich auf innovative Führungsansätze und Veränderungsmanagement in Unternehmen fokussiert hat. Herzlich willkommen, Anja! #00:01:51-3#

Anja Förster: Dankeschön, Tobias. #00:01:52-2#

Tobias Kirchhoff: Wann hast du denn das letzte mal deutlich "Nein" gesagt? #00:02:02-7#

Anja Förster: Oh, das kann ich mittlerweile recht gut. Ich sage "Nein", zum Beispiel zu Anfragen, beispielsweise Vortragsanfragen, da sage ich "Nein", und zwar nicht trotzig. Du sprachst ja gerade die Dreijährigen an, das halte ich nicht für eine kluge Sache. Ich halte es aber für eine kluge Sache, sich immer wieder zu fragen, wie geht das Kongruent mit meinen Zielen, mit meinen Vorstellungen? Und wenn dann dein Gefühl ist, das ist vielleicht irgendwie eine Feigenblattgeschichte, wo du eingeladen wirst, über Neudenken, Umdenken, zu sprechen, aber das ist nicht wirklich gewünscht und gewollt, dann ist es auch okay, "Nein" zu dieser Anfrage zu sagen. #00:02:42-6#

Tobias Kirchhoff: In deinen Büchern und auch auf deinen Vorträgen sprichst du davon, wir sollen rebellisch sein, also du stiftest quasi zum Rebellentum an. Warum und wie spielt das zusammen mit dem "Nein"? Warum machst du das? #00:02:54-3#

Anja Förster: Naja, also, man muss jetzt vielleicht ein bisschen differenzieren, weil Rebellen ja schon manchmal einen nicht besonders guten Ruf haben, nicht besonders guten Ruf im Sinne von, das sind Querulanten, die sind halt gegen alles. Und ich glaube, das Gegenteil ist der Fall, und das ist auch mit ein Anliegen von mir. Tatsächlich dieses konstruktive Rebellentum, also was man im englischen so schön sagt als "rebel with a cause", also, die wirklich für eine Veränderung antreten. Und das ist ja, wenn du jetzt auf die Geschichte auch der Menschheit guckst, waren ja Menschen, wie Nelson Mandela, wie Mahatma Gandhi in ihrer Konstitution Rebellen, weil sie eben gegen ein Unrecht oder gegen einen Zustand vorgegangen sind, der einfach in ihrer Welt nicht akzeptabel war. Und das ist genau das, was ich mit Rebellentum meine. Jetzt muss das natürlich nicht eine große gesellschaftliche Umwälzung sein. Das ist vielleicht für viele auch, die uns zuhören, auch so ein bisschen "geht es auch eine Nummer kleiner". Aber das ist es ja genau, in meinem Umfeld, in meinem Einflussbereich, vielleicht jetzt in meinem Team mit meinen 3, 4 Leuten, zu sagen, okay, wenn wir mit einer Sache unzufrieden sind, dann ist es halt eine Sache, und die ist halt oftmals einfacher, sich darauf zurückzuziehen und zu jammern und zu sagen, die Umstände sind halt so, und es müsste ja mal jemand anders machen. Oder eben die andere Haltung ist eben, sich dieses konstruktive Rebellentum quasi als Rolle auch selbst anzuziehen und zu sagen, okay, wir sind mit diesem Zustand, wie er ist, nicht zufrieden. Was können wir gemeinsam tun, um es zu ändern? #00:04:36-0#

Tobias Kirchhoff: Wie kann das denn gelingen? Also einen Zustand festzustellen, der nicht optimal ist? Ich glaube, da sind wir alle sehr, sehr stark drin, dass wir vielleicht nicht zufrieden sind damit, aber dann Rebellentum bedeutet dann ja auch wirklich aktiv zu werden, du hast es gerade gesagt, und das scheint ja dann doch noch mal ein größerer Schritt zu sein. #00:04:54-5#

Anja Förster: Das ist ein größerer Schritt, und das ist auch eine Mut-Zuschreibung, die du dir selbst tun musst, und wir schreiben in dem Buch, wo wir sicherlich noch drüber sprechen werden, "Vergeude keine Krise" Auch das Beispiel von Regine Stachelhaus, und die ist einfach wunderbar zu erzählen, weil sie so exemplarisch deutlich macht, was hinter dieser Haltung steht, und das ist schon ein bisschen länger her. Regine Stachelhaus war damals Justiziarin bei Hewlett-Packard, und sie war schwanger und wollte aber nicht, wie man das so in den 80er Jahren erwartet hat, zu Hause bleiben und ihren Sohn großziehen, sondern hat gesagt, ich möchte eigentlich beides und also weiter meinen Weg gehen, bei Hewlett-Packard, und gleichzeitig eben auch das Kind gut aufgehoben wissen. Ergo: Wir brauchen einen Betriebskindergarten. Und ihre durchweg männlichen Chefs haben gesagt, du spinnst was, was soll das? Also, wohlgemerkt, wir sprechen über die 80er Jahre, und dann kann man ja sagen, okay, die sind jetzt irgendwie, die verstehen das nicht und wollen das nicht, und da bin ich vielleicht auch ein bisschen beleidigt und ziehe mich halt zurück in die Schmollecke. Und sie hat eben, und das ist für mich so ein schönes Beispiel, des "ins Handeln kommen". Sie hat gesagt: Okay, ich komme jetzt damit nicht weiter, also da ist jetzt einfach eine Grenze, also greife ich zu einer subversiven Taktik. Und sie hat dann hinter dem Rücken der Chefs deren Ehefrauen zu Hause besucht und hat über dieses Thema gesprochen, und du kannst dir vorstellen, was passiert ist. Und natürlich kam der Betriebskindergarten auf den Frühstückstisch, und zwar mit Nachdruck, und dieses Projekt ist umgesetzt worden. Und das meine ich. Ja, du musst gar nicht dann eine große Revolution anzetteln, sondern manchmal sehr intelligent subversive Taktiken einfach anstrengen, um dein Ziel zu erreichen. #00:06:38-4#

Tobias Kirchhoff: Trotzdem ist sie dann ja auch wirklich ins Doing gekommen. Du hast ja gerade gesagt, sie hätte sich ja auch so ein bisschen zurückziehen können. Was ich feststelle, ist, dass wir zumindest in Deutschland doch gerade sehr dazu neigen, Missstände zu artikulieren. Aber irgendwie hat man den Eindruck, naja, aber dass dann einee aus der Schmollecke rauskommt und auch mal was tut, da musst du lange nach suchen. Wie siehst du das? #00:07:01-1#

Anja Förster: Also, ich würde es nicht so pauschali sagen, man guckt jetzt natürlich auch immer, oder ich schaue natürlich auch immer auf die Organisationen, mit denen ich zu tun habe, die diesem Denken, wie man sich vorstellen kann, auch zugewandt sind, und da geht mir ehrlich gesagt, immer das Herz auf, wo du wirklich tolle Menschen siehst, die einfach mutig sind und Dinge auch in Angriff nehmen. Ich gebe dir Recht insofern, dass das aber keine Mehrheit da draußen ist. Das ist auch gar nicht nötig, also, meine Botschaft ist hier ganz sicherlich nicht, dass alle in diese Richtung gehen müssen. Nur wenn man eben auf Organisationsebene oder auch weiter auf gesellschaftlicher Ebene schaut, wenn eben eine Mehrheit der Menschen sich auf diese Position zurückzieht, jemand müsste mal machen, es geht ja nicht, und ich bin machtlos, dann ist tatsächlich die Erstauung des Systems die Folge, weil ja keiner aufsteht und etwas vorantreibt. Ergo kann sich auch nichts ändern, sondern man lamentiert darüber, was sich ändern müsste, und das ist eben so gefährlich, dass eine Mehrheit quasi damit notwendige Veränderung erdrosselt, weil eben man sich quasi auf diese Haltung zurückzieht "Ich kann ja nichts ändern". Und das ist gefährlich, das ist gefährlich auch auf einer größeren gesellschaftlichen Ebene, weil eben andere, man sieht es in der Wirtschaft, andere Organisationen, die einfach flotter, schneller, innovativer, mutiger sind, und genauso eben auf gesellschaftlicher Ebene andere Gesellschaften vielleicht flotter, mutiger, risikobereiter sind und einfach dann vorbeiziehen. Und das ist eben der Preis, der zu zahlen ist für diese bequeme "Man müsste mal was ändern" Haltung, dass du irgendwann irrelevant wirst. #00:08:53-3#

Tobias Kirchhoff: Im Arbeitsumfeld sind ja vor allen Dingen auch die Führungskräfte, die zumindest einen großen Hebel haben, eben Veränderungen auch anzuschieben. Wie siehst du das Thema Führung in diesen unsicheren Zeiten, wie du es ja auch beschreibst? #00:09:08-0#

Anja Förster: Führung hat eine ganz wichtige Aufgabe, und das ist: Führung hat eine Störfunktion. #00:09:14-6#

Tobias Kirchhoff: Ähm, eigentlich soll doch Führung dazu dienen, dass die Sachen laufen und nicht Sand ins Getriebe packen. Was meinst du damit? #00:09:21-6#

Anja Förster: Störfunktionen, damit meine ich, dass natürlich die Aufgabe darin liegt, immer wieder dafür zu sorgen, dass frischer Wind in das Denken kommt, und das heißt nicht, dass du jetzt aktiv Sand ins Getriebe wirfst, sondern dass du über das Funktionieren heraus immer wieder die Frage stellt, sind wir noch auf dem richtigen Weg? Das ist Störfunktion. Könnten wir nicht vielleicht auch mal einen Versuch machen, es anders, besser, differenzierter zu machen? Und wenn du als Führungskraft nicht diese aktive Funktion einnimmst, dann kannst du dich auch nicht darüber beschweren, dass deine Mitarbeitenden nichts hinterfragen, dass deine Mitarbeitenden keine Experimente machen oder mutig sind oder überhaupt mal kluge Fragen stellen, weil sie ja auch logischerweise das nicht in der Führung sehen. Und das meine ich mit Störfunktion. Das heißt also, diese einschläfernde Kraft des "So haben wir das schon immer gemacht" hinterfragen. #00:10:21-4#

Tobias Kirchhoff: Und das als Führungskraft, um dann die Mitarbeiter zu motivieren, sich selber, nicht sich selber, aber auch das zu hinterfragen. Und in diesem Zusammenhang sprichst du ja auch in deinem Buch "Vergeude keine Krise" davon, dass Kümmerer, also Führungskräfte, die sich kümmern, immer Verkümmertere, ja quasi, produzieren. Was meinst du damit? #00:10:43-2#

Anja Förster: Das ist eine große Versuchung, sich so als Retter zu inszenieren. Ein Mitarbeiter kommt vielleicht zu dir und sagt "kann ich jetzt nicht." Oder "wie soll ich das machen?" Und dann zu sagen, komm, ich mach das halt schnell oder irgendwie, weil du weißt ja auch, wie es geht, und ich übernehme das dann, und das meine ich eben mit dem Kümmerer, der Verkümmerte produziert, dass du damit natürlich auch eine Unmündigkeit und eine "ich kann das nicht" oder "das ist eine Nummer zu groß für mich"-Haltung produzierst, und das kannst du genauso natürlich auf die Kindererziehung übertragen. Das ist schon sehr verwandt, und das heißt, mein Punkt ist, immer wieder zu sagen, wenn du Menschen hast, die eben zu dir kommen und sagen "ich weiß halt nicht", und "das ist aber jetzt ein bisschen schwierig", das heißt nicht, die jetzt irgendwie von dir wegzustoßen. Zu sagen "ist dein Problem", aber immer wieder die Gegenfrage zu stellen "was würdest du tun?", "was wäre deine Antwort?", und das interessante ist, dass diejenigen, die zu dir kommen und sagen "wie soll ich es tun?" oftmals die Antwort schon haben. Sie sind einfach nur nur zu bequem oder vielleicht auch so sozialisiert "Es löst ja jemand für mich", und damit schaffst du eben dann, mit dem Bekümmern schaffst du Verkümmerte, die einfach verlernt haben, selbst die Birne anzustrengen, selbst mutig zu sein und selbst Antworten zu finden. #00:12:03-9#

Tobias Kirchhoff: Und du sagst ja in diesem Zusammenhang auch, Vertrauen ist auch ein Schlüssel in diesem Zusammenwirken. Wie müssen wir das verstehen, indem wir eben sagen, so, denk selber drüber nach, und dann soll ich das Vertrauen in Advance haben, in den Mitarbeiter, dass er dann zum Beispiel diese Aufgabe oder diese Tätigkeiten dann erledigt? Oder wie müssen wir dieses Thema "Vertrauen" verstehen? #00:12:24-9#

Anja Förster: Wir sprechen ja damit auch das Thema an, dass du Menschen zutraust, selbst Lösungen zu finden, und das ist ja auch das ganze Thema, was wir bei New Work haben, wo wir halt über Autonomie und Selbstbestimmung auch sprechen. Und das funktioniert ja nur damit, also du kannst ja nur Freiräume aufmachen, wenn du gleichzeitig auch das Vertrauen in die Menschen hast, dass sie diese Freiräume auch vernünftig nutzen werden. Und natürlich wird es immer den einen oder anderen Fall geben, wo du wahrscheinlich bei näherem Hingucken sagst, oh, das ist vielleicht doch nicht so gut gelaufen, und das Vertrauen war schön, ja, aber ich bin jetzt ein bisschen enttäuscht, möglicherweise mit dem, was herausgekommen ist. Wie gesagt, das ist nicht eine Mehrheit, aber das passiert. Was aber, der sträfliche Fehler, der in vielen Organisationen immer noch oder bei vielen Führungskräften halt immer noch gemacht wird, ist, dass du daraus im Prinzip eine Allgemeingültigkeit ableitest und sagst, ich bin einmal enttäuscht worden, weil Mitarbeiterin X das nicht so gemacht hat, wie ich das erwartet habe, oder das Ziel nicht erreicht wurde. Also verregle ich wieder oder drehe den Regler wieder zurück, weil alle anderen eben erst gar nicht in diese Falle tappen sollen oder in diese Sache reingehen sollen. Und das ist für mich das schlimmste und schrecklichste, was du machen kannst, weil du im Prinzip eine kollektive Bestrafung dafür aussprichst, dafür, dass manche Menschen vielleicht nicht so in der Lage sind, dein Vertrauen zu rechtfertigen oder zu nutzen. Und das ist für mich die Grundfrage beim Vertrauen. Ja, es wird immer wieder, und das kennen wir auch vom privaten, du wirst Momente haben, wo dein Vertrauen enttäuscht worden ist, sich dennoch aufzurichten, zu sagen, das Vertrauen ist der richtige weg, und ich muss vielleicht in dem einen oder anderen Fall bei Mitarbeiterin X ein bisschen genauer hinschauen. Und auch das ist ja der Punkt. Nicht alle Mitarbeitenden ticken gleich, und manche brauchen vielleicht und wollen das auch, eine etwas engere Begleitung. #00:14:27-9#

Tobias Kirchhoff: An dieser Stelle machen wir eine kurze Unterbrechung, die ich für einen Hinweis nutzen möchte. Wenn ihr Fragen, Anregungen oder eigene Themenvorschläge habt, dann schreibt uns gerne eine Mail an leadgut@tuv.com oder besucht uns auf unserer Webseite tuv.com/leadgut. Und wenn euch unser Podcast gefällt, wovon ich natürlich ausgehe, freuen wir uns, wenn ihr ihn abonniert oder eine gute Bewertung schreibt oder am besten beides. Das war es auch schon. Weiter geht's mit rebels@work, mit Anja Förster. #00:15:03-7#

Tobias Kirchhoff: Wie schaffe ich es denn, wenn vielleicht mein Vertrauen enttäuscht worden ist, dass ich mich selber, ich sage mal bewusst, animiere, eben nicht eine Regel daraus zu generieren, sondern zu sagen, so, was mache ich, um wieder in ein positives Mindset zu kommen? #00:15:20-1#

Anja Förster: Die Grundvoraussetzung, du kannst nur dann als Mensch vertrauen, wenn du Selbstvertrauen hast. Da beginnt alles. Und das ist oftmals auch die Schwierigkeit bei manchen Führungskräften, die sagen, ich sag das jetzt mal sehr salopp, denen kannst du ja nicht trauen, funktioniert ja nicht, und das sagt tatsächlich mehr über die Person aus als über den Zustand des Teams, und das ist eben für mich so der Punkt. Mit diesem Selbstvertrauen beginnt alles. Jetzt können wir weit weit ausholen. Das hat natürlich alles auch seine Gründe. In der Kindheit hast du dich als Kind halt wirklich auch gehalten gefühlt und ist dieses Urvertrauen aufgebaut worden. Das ist alles richtig. Aber dennoch ist es nicht per se ein Schicksal, dass du jetzt sagst, gut, in meiner Kindheit war das vielleicht nicht so optimal, sondern du kannst ja auch, wenn du das eben weißt, dass das bei dir eine vielleicht etwas offene Flanke ist, eben auch darauf ein Augenmerk legen und wirklich dieses Vertrauen auch in dich selbst zu stärken und sich auch immer wieder bewusst zu machen. Das ist ja auch der zweite Punkt, also Achtsamkeit, bewusst zu machen, das ist vielleicht etwas, wo ich so automatisch zu neige, zu verregeln, dich zu machen. Aber man hat ja immer noch die Chance, zwischen Impuls, der in den Kopf kommt, ich mache jetzt dicht und regele, und dem aktuellen Tun auch nochmal dreimal Luft zu holen, zu sagen "Ist das wirklich der richtige Weg?" #00:16:45-3#

Tobias Kirchhoff: Was ich feststelle im Gespräch auchmit vielen Führungskräften, die haben die Coronazeit sehr gut gemeistert, kommen jetzt quasi in einer VUCA Welt wieder raus, versuchen, zusammen mit den Mitarbeitern sich gut aufzustellen. Dann kommt aber hier ein Thema dazu, dann kommt da noch ein Thema dazu, und da ist dann für mich so die Frage ja, wie kann man es auch schaffen, nicht Defizitorientiert oder zu verzweifeln? Wo kann man aus deiner Sicht auch die Kraft hernehmen, weil das braucht ja viel Kraft, das so hinzubekommen, wo kann man die Kraft hernehmen, sich so aufzustellen, dass ich ein positives Mindset habe, vertrauen aufbaue und den Mitarbeiter nicht verkümmern lasse, sondern dass er sich selber um sich auch kümmern kann? #00:17:29-1#

Anja Förster: Alles beginnt bei dir selbst. Das ist der Dreh und Angelpunkt, und du kannst viel darüber reden, dass sich eine Kultur ändern muss. Aber wer prägt denn die Kultur? die Führungskräfte und das Team, und deswegen ist mein Appell: Beginn bei dir selbst. Und das ist natürlich sehr leicht, sich in dieser wie du es gerade sagst VUCA-Welt oder auch BANI-Welt quasi von dieser unglaublichen Taktung der Veränderung und der Herausforderung überrollen zu lassen, sich so zu fühlen, eigentlich wie unter so einer Dampfwalze. Man liegt da und sagt irgendwie, was kommt denn noch alles? Das ist so, und das wird, und die gute Nachricht, Ironie aus, ist: heute ist der langsamste Tag unseres Lebens, das wird alles noch schneller, noch volatiler werden. Und deswegen noch mal der Punkt, für den ich immer werbe, ist, alles fängt bei dir an, und es fängt bei dir an, in deiner Selbstfürsorge dafür zu sorgen, dass du im Alltag immer wieder Phasen einplanst, die, nenne ich ZFDB. Das ist ein Akronym, das steht für: Zeit für die Birne. Und Zeit für die Birne heißt: Handy weglegen, ne halbe Stunde lang mal Notebook beiseiteschieben und wirklich mal zu sagen, okay, was steht diese Woche auf dem Programm? Welche riesengroßen Herausforderungen haben wir, welche Querschläger sind vielleicht da, und wie können wir damit vorgehen? Andersrum formuliert, wenn du aber wie so ein Hamster auf Speed dich von dieser unglaublichen Taktung quasi verrückt machen lässt, dann kannst du auch keine guten Entscheidungen mehr finden, dann kannst du auch nicht mehr in Ruhe delegieren, dann kannst du auch nicht zutrauen, weil du ja im Prinzip dich nur in einer schon schwindelerregenden Taktung mit Themen beschäftigst, die du alle gar nicht bewältigt bekommst. Und das ist so das Verrückte. Also, je schneller die Welt wird, desto dringender müssen wir immer wieder in die Ruhe gehen und auch selbst dafür sorgen. Weil, wenn du es nicht machst, wer sonst? #00:19:25-3#

Tobias Kirchhoff: Aber auf der anderen Seite, ich sage mal bewusst "aber", wer neues vorantreibt, hat selten Freunde. Das heißt, Reflektieren auf der einen Seite, aber auch Vorantreiben, dass man vielleicht schneller ist oder intensiver als andere? Wie bringst du das zusammen? #00:19:38-8#

Anja Förster: Ja, also, man muss es vielleicht differenzierter sehen. Wir haben ja gerade darüber gesprochen, dass, oder du hast darüber gesprochen, dass in Deutschland schon ein gewisser Prozentsatz an Menschen einfach auch sehr veränderungsresistent ist, und das ist auch so, das kann man gar nicht schön reden. Und natürlich hast du quasi, wer schon von seinem Mindset her eine sehr abwehrende Haltung zur Veränderung hat und du trotzdem Veränderung vorantreibst, dann werden das nicht deine Freunde sein. Gleichzeitig gebe ich aber auch zu bedenken, ich komme noch mal auf mein Beispiel der großen Veränderer zurück. Also Mahatma Gandhi, auch der hatte nicht viele Freunde. Die Briten haben nicht Hurra geschrien, dass sich der Mann da aufgemacht hat, quasi das Land von den Briten zu befreien. Gleichzeitig zeigt das Beispiel von Gandhi aber auch, wie es geht, nämlich dir Verbündete zu suchen, die von Herzen deine Mission teilen und die auch mit dir durch dick und dünn gehen, und das ist für mich die Antwort darauf. Also, finde diejenigen, die auch diese Notwendigkeit der Veränderung sehen und nimm die auch nicht für selbstverständlich. Die musst du pflegen, die musst du auch irgendwie unterstützen, euch gegenseitig unterstützen. Aber wenn das da ist, dieses Team, dann kannst du auch durchaus gegen eine Mehrheit, die also mit verschränkten Armen dasteht und sagt "wir wollen nicht" kannst du sehr viel bewegen. #00:21:07-6#

Tobias Kirchhoff: Und wie mache ich das konkret? Also wenn ich zum Beispiel Führungskraft bin, so, ich will vorangehen, will mich aber nicht nur kümmern, also die Leute nicht nur immer abholen in allen Themen, sondern vielleicht einladen, was neues zu machen. So, und wenn ich dann aber neue Sachen vorantreibe und krieg dann aber mein Team nicht mit, dann habe ich ja ein anderes Problem. #00:21:27-8#

Anja Förster: Und meine Empfehlung ist immer, eröffne den Dialog. Das ist oft ein Missverständnis, dass du glaubst, in deiner Rolle als Führungskraft ist es eben, bist du quasi so ein einsamer Streiter für die Veränderung, und die Wahrheit ist ja, dass auch dein Team heterogen ist. Das ist so ein bisschen immer Gaußsche Normalverteilung. Du hast vorne weg die, wenn du von Veränderungen sprichst, die erkennst du dann daran, die sofort eigentlich das Funkeln in den Augen haben und sagen, ja, Tobias, das sage ich schon seit zwei Jahren, endlich. Du hast dann auf der anderen Seite, die vielleicht die Arme verschränken und sagen "Oh Gott, jetzt wird wieder mal die nächste Sau durchs Dorf getrieben." Okay, das sind die Verhinderer, und du hast aber in der Mitte, das ist oftmals die Mehrheit, die noch nicht so richtig entschieden sind. Also sollen sie jetzt quasi sich auf Seite der Veränderung schlagen oder doch irgendwie bei dem Status Quo bleiben. Und für mich ist immer der erste Punkt: Beginn bei denen, die wirklich offen sind der Veränderung gegenüber, und das merkst du an deren Reaktion, das kannst du in deren Gesicht sehen, an diesen funkelnden Augen. Versuch, die auf deine Seite zu holen. Und dann eröffne die Diskussion mit denen, die in der Mitte sitzen und sich noch nicht so sicher sind, und hole auch deren Vorschläge ein, weil die haben ja schon Ideen, wo sie auch sagen, das ist ein Schmerzpunkt. Wir wollen halt gerne, dass sich dies oder jenes ändert, aber bitte begehe nicht den Fehler, ihnen quasi schon Lösungen vorzusetzen, sondern hole sie mit rein. Und in dem Moment, wo ich sage, das war auch eine Idee, die wir entwickelt haben, habe ich doch auch eine viel höhere intrinsische Motivation, vielleicht über ein Experiment einfach mal da dranzugehen und zu testen. #00:22:58-9#

Tobias Kirchhoff: Also wirklich Positives Mindset, und dann den Spirit übertragen, um dann gemeinsam nach vorne zu gehen, als Team, als Gruppe und dann Zukunft gestalten, sagt man ja dann auch in diesem Zusammenhang. Du hast an ganz anderer Stelle, aber das passt hier sehr, sehr gut, oder plädierst da sehr für, sogenannte "Arschlochfreie Zonen" zu schaffen. Kannst du das vielleicht nochmal ein bisschen ausführen? #00:23:23-5#

Anja Förster: Das ist ein gutes Thema. Danke für die Frage. Na ja, ich höre das oft in Führungskräfterunden, das eben darüber gesprochen wird, was ja auch sehr, sehr gut ist, dass man in dem Unternehmen oder in der Organisation einen klaren Wertekanon hat, den man auch sehen möchte, und gleichzeitig hört man dann aber auch, also sagen wir mal zum Beispiel kooperatives Führen, auch irgendwie Dinge, wo man sagt, das geht halt gar nicht, irgendwie, sich da autoritär oder auch schreiend irgendwie vor Mitarbeitern aufzubauen etc. Also, das ist ja alles richtig. So, und dann hast du aber die Situation, dass du vielleicht ein, ich nenne sie jetzt mal Salopp "Arschloch" in der in der Organisation drin hast, der oder die sich genau gegenteilig verhält, und dann heißt es aber "ja, aber sie liefert ja ihre Zahlen", "Er macht ja einen guten Job", "Er akquiriert ja so viele Kunden", und damit wird im Prinzip zurechtvernünftelt, dass sich jemand nicht an diesen Wertekanon hält, aber trotzdem in der Organisation bleibt. Und das ist eben oftmals eine sehr harte, aber auch konsequente Entscheidung zu sagen, wenn wir wirklich wollen, also "walk the talk", und diese Werte wirklich auch verbindlich sein sollen, dann müssen wir uns auch, und das ist eine sehr herausfordernde Entscheidung, aber eine richtige, auch in dem Moment von demjenigen, der diese Werte bricht, trennen, obwohl er möglicherweise seine Zahlen bringt. #00:24:51-4#

Tobias Kirchhoff: Machen das denn Unternehmen? #00:24:52-7#

Anja Förster: Ich habe mit einigen schon gesprochen, die sagen, ja, das ist bei uns die Sache, und die auch benennen können, dass es Situationen gab, wo ihnen das sehr schwer gefallen ist, aber sie dann denjenigen gehen lassen mussten, aus diesen Gründen. Und insofern ist es schon möglich. Aber es bedeutet eine unglaubliche Konsequenz, es zu tun. Aber damit hat, vielleicht das noch als Nachsatz, aber damit kriegst du natürlich, also das ist schwer in der Situation, aber damit kriegst du genau das, wovon alle reden: Glaubwürdigkeit. Das ist der Lackmustest, und da schauen auch alle Mitarbeitenden drauf, wie verhält sich die Führungskraft oder der Vorstand in diesem Moment, wenn diese Entscheidung ansteht? #00:25:37-1#

Tobias Kirchhoff: Naja, und Glaubwürdigkeit und Vertrauen hängt ja auch ganz eng zusammen, also insofern kann das dann auch sehr, sehr gut sich ergänzen. Wir sind leider schon fast am Ende unseres kleinen Gespräches, und am Ende meiner Gespräche frage ich immer, meinen Gast in dem Fall dich, was ist der eine Tipp, den du unseren Hörerinnen und Hörern, die Führungskräfte sind und sagen, hey, die Anja hat da einen richtig guten Ansatz. Was ist der eine Tipp, wenn die morgen anfangen wollen, vielleicht ein paar Sachen anders zu machen? Womit sollen sie anfangen? #00:26:12-8#

Anja Förster: Mein Tipp, wenn du wirklich Dinge anders machen möchtest, dann musst du dafür sorgen, dass du diese Grundhaltung institutionalisierst. Was meine ich damit? Es ist leicht zu sagen "ich müsste mal und ich könnte mal und ich sollte". Aber die Frage ist: wie kannst du dir selbst auf die Finger klopfen, ob du es auch machst? Und ich empfehle dazu immer eine Frage, die heißt: was kann ich diese Woche machen, was ich so noch nie getan habe? Die klingt sehr harmlos, die bedeutet aber, wenn du halt die Urlaubs- und Weihnachtswochen abziehst, dass du 40 Mal pro Jahr dir die Frage stellst, was mache ich diese Woche anders? Stichwort innovative, experimentelle, oder schlichtweg mal auf den Kopf gestellt zu dem, wie ich es immer mache. Und das ist die 1A quasi Kontrollfrage für dich, weil die Woche ist ja rum und wo du dann sagen kannst, okay, habe ich diese Woche eigentlich alles wie immer abgespult? Oder bin ich diesem, was wir vorhin gesagt haben, dieser Störfunktion, die ich als Führungskraft habe, gerecht geworden, indem ich diese Woche ein kleines Experiment gemacht habe, vielleicht einfach mal ein Gespräch mit den Mitarbeitenden anders aufgezogen habe oder vielleicht auch ne große Sache gemacht habe, nämlich tatsächlich im konstruktiv rebellischen Sinne einen kompletten Prozess umgekrempelt habe. Oder, oder oder. Das ist natürlich dir überlassen, welche Spannbreite du nimmst. #00:27:43-0#

Tobias Kirchhoff: Liebe Anja, vielen Dank für deinen Besuch. Das war ein ganz tolles Gespräch, vielen Dank. Und an euch da draußen ein herzliches Dankeschön fürs Zuhören. Das war eine weitere Folge von lead:gut. Mein Name ist Tobias Kirchhoff, und macht euch mal darüber Gedanken, was ihr vielleicht diese Woche anders machen wollt, als was ihr sonst immer macht. Bleibt neugierig! #00:28:08-6#

Outro: lead:gut, Inspiration für Führungskräfte. #00:28:14-1#

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