Müge Akin - 100% Remote

Shownotes

Während viele Konzerne und Unternehmen ihre Mitarbeitenden mit mehr oder weniger starker Vehemenz wieder in die gemeinsamen Büros zurückrufen, wollen andere die Freiheiten, die sie in der Corona-Pandemie gewonnen haben, nicht aufgeben. Unser Gast Müge Akin berichtet davon, wie sie in ihrer Kreativ-Agentur als Head of People and Culture gemeinsam mit den Mitarbeitenden eine Kultur für 100 % Remote-Arbeit gestaltet und den Wandel zur Beta-Organisation vorangebracht hat. lead:gut fragt nach:

· Wie zahlen Bricks, Bites und Behaviour auf die Remote-Zusammenarbeit ein?

· Was hat das mit Zellstruktur-Design und Beta-Organisation zu tun?

· Warum sollte die Umstellung auf eine andere Art der Zusammenarbeit eine bewusste Entscheidung sein?

· Welche können Impulse Unternehmen geben, um den Austausch unter den Mitarbeitenden zu fördern?

· Wie kann die Zellstruktur helfen, Wissenssilos zu vermeiden?

· Wie viel Eigenverantwortung braucht selbstbestimmtes Arbeiten?

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Müge Akin: Dadurch, dass wir in diesem Rollenmodell denken, vermeiden wir auch diese Silo Bildung. Das heißt, die Menschen agieren nicht nur innerhalb der Zellen, sondern die Zellen sind durchlässig. Man kann vom Wissen und von den Kompetenzen, von den Expertisen der Kollegen und Kolleginnen jederzeit profitieren. #00:00:19-8#

Intro: lead:gut, Inspiration für Führungskräfte. #00:00:25-5#

Tobias Kirchhoff: Hallo, ihr hört "lead:gut, Inspiration für Führungskräfte", den Management Podcast von TÜV Rheinland. Mein Name ist Tobias Kirchhoff, und gemeinsam mit meinen Gästen bespreche und Hinterfrage ich aktuelle Leadershipkonzepte und -Ideen. Corona war ein Game Changer für die Organisation von Arbeit. Von heute auf morgen mussten Mitarbeitende ins Homeoffice und Remote tätig sein. Nach Corona beordern viele Organisationen ihre Mitarbeitenden wieder physisch zurück in die Büroräume. Ganz anders ist das nach wie vor bei Stagg & Friends. Die Berliner Agentur beschäftigt Mitarbeitende in ganz Deutschland und dem Europäischen Ausland, und das zu 100% Remote. Trotzdem, oder gerade deswegen, bezeichnet sich das Unternehmen als lebenswerteste Agentur. Mein heutiger Gast ist Müge Akin. Müge ist Head of people & culture und damit verantwortlich für die Entwicklung eines standortübergreifenden Teamspirits, einer gemeinsamen Vertrauensbasis und natürlich der Verhinderung von Wissens-Silos. Herzlich willkommen, Müge. #00:01:30-8#

Müge Akin: Hallo, lieber Tobias, und vielen dank für deine Einladung. Ich freue mich sehr, heute den Podcast mit dir zusammen zu machen. #00:01:37-9#

Tobias Kirchhoff: Liebe Müge, George Bernard Shaw hat einmal gesagt, den Abstand wahren ist das Geheimnis der Kultur. Inwieweit ist das auch euer Credo? #00:01:53-1#

Müge Akin: Den Abstand zu wahren, zeigt ja Respekt und Vertrauen in das Können und die Erfahrung deines Gegenüber. Was uns motiviert ist, noch einen Schritt weiterzugehen, und zu sagen, wir gestalten unsere Arbeitswelt gemeinsam. #00:02:09-8#

Tobias Kirchhoff: Lass uns vielleicht noch erst mal einen Schritt zurückgehen. Ihr seid ja eine Agentur, die zu 100% Remote, ich sag mal, arbeiten kann. Warum habt ihr euch nach Corona entschlossen, eben nicht zurück ins Büro zu kommen wie viele andere Firmen, sondern diesen Schritt weiterzugehen und sogar noch quasi extremer in die Richtung zu gehen, also wirklich 100% Remote tätig zu sein? #00:02:33-3#

Müge Akin: Wir haben in der Coronaphase festgestellt, wie viel Möglichkeiten und Freiheiten uns das Remote-Arbeiten bringen kann. Das heißt, wir können unsere Arbeitszeit flexibler gestalten, wir können unsere Arbeit in unser Leben besser integrieren, und das war der Grund, weshalb Stagg gesagt hat, das wollen wir beibehalten. Wir wollen diese Freiheiten nicht mehr wieder hergeben, und wir wollen die Zusammenarbeit auf ein nächstes Level bringen, indem wir an unseren Bricks, Bytes und unserem Behaviour arbeiten, damit Remote arbeiten bestmöglich funktionieren kann. #00:03:13-9#

Tobias Kirchhoff: Und wie macht ihr das? Also, wenn du sagst, ihr wollt euch da weiterentwickeln, ihr wollt am Spirit arbeiten. Wie gelingt das, wenn ihr sagt, ihr geht auch konsequent weiter? Das eine ist ja okay, jeder kann selbstbestimmt arbeiten, sich die Zeit einteilen. Das sind ja die Vorteile, die, glaube ich, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch gelernt haben. Aber wie ist denn da der nächste Schritt? #00:03:33-7#

Müge Akin: Den nächsten Schritt haben wir eigentlich gemacht mit unserer Transformation von einem Alpha-Unternehmen in das Zellstrukturdesign, das heißt, wir sind inzwischen eine Beta-Organisation, wo wir natürlich noch nicht abgeschlossen haben. Es sind immer noch Herausforderungen da, mit denen wir uns beschäftigen. Aber zu Beta gehört auch, sich diesen Herausforderungen zu stellen und den eigenen Beta-Gedanken zu entwickeln, zu sagen, was bedeutet denn Zellstrukturdesign? Was bedeutet denn eigenverantwortliches Arbeiten und selbstbestimmtes Arbeiten für uns als Unternehmen? Nicht, dass man einen Gedanken, eine Organisationsform nimmt und über das eigene Unternehmen stülpt, sondern einmal betrachtet, was bedeutet Beta für uns, und wie wollen wir Beta leben? #00:04:22-9#

Tobias Kirchhoff: Kannst du unseren Hörerinnen und Hörern vielleicht kurz erklären, was ist diese Beta-Struktur auch im Vergleich zu einer Alpha-Struktur? #00:04:30-7#

Müge Akin: Alpha-Strukturen sind, wenn man sich Organigramme anschaut, ja so aufgestellt: Es gibt die Unternehmensführung, es gibt die Führungskräfte, die leitenden Positionen, und darunter sieht man im Organigramm die Teams, die Menschen, die in den jeweiligen Projekt-Teams, würde ich sagen, in unserem Fall, arbeiten. Und im Zellstrukturdesign ist das Organisationsdesign ganz anderes. Das muss man sich so ein bisschen vorstellen wie ein Spiegelei. Du hast außen den Markt, den Kunden, für den du tätig bist, für den wir als Unternehmen tätig sind, für dessen Interessen wir unterwegs sind. Dann hast du in der Peripherie die Zellen, die an den Herausforderungen der Kunden arbeiten, den Problemen der Kunden arbeiten. Da sind die Projektteams aufgestellt, und dann gibt es das Zentrum, das sozusagen für die Peripherie tätig ist. Das sind die internal Services, wie zum Beispiel Finance, oder HR, die wir als human relations verstehen, die Compliance Rollen etc. das, was es braucht, um das Unternehmen am Laufen zu halten, und sich aber als Dienstleister für die Menschen, die operativ an den Kunden arbeiten, verstehen. #00:05:50-6#

Tobias Kirchhoff: Und was ist der Vorteil von einer solchen Struktur im Vergleich zur klassischen hierarchischen Alpha-Struktur? #00:05:57-5#

Müge Akin: Es ist das selbstbestimmtere Arbeiten, und dadurch, dass man nicht in Funktionen, Positionen, sondern in Rollen denkt, hat jeder Mitarbeitende auch die Möglichkeit, unterschiedliche Rollen entsprechend seiner Kompetenzen und seiner Entwicklungswünsche einzunehmen. #00:06:15-7#

Tobias Kirchhoff: Das bedeutet ja letztlich für den Mitarbeiter auch sehr viel Eigenverantwortung. Das heißt, im klassischen Alpha Strukturen oder auch wenn ich im Büro bin, habe ich ja in der Regel eine ganz klare, vorgegebene Guidlines, Richtlinien, so dass ich dann aber auch sagen kann, so, ich kann mich dem ganzen sehr einfach stellen, und hier muss ich mich ja sehr viel stärker auch selber organisieren. #00:06:40-5#

Müge Akin: Richtig, und das sind die Herausforderungen, von denen wir sprechen. Natürlich verlangt Freiheit immer nach Verantwortung. Es funktioniert nicht anders, genauso wie wahre Verantwortung auch nur mit Freiheit funktionieren kann. Das sind die Herausforderungen, die uns begegnen und denen wir uns gemeinsam widmen. #00:06:58-1#

Tobias Kirchhoff: Wie würde das denn, oder wie ist das denn von den Mitarbeitern angenommen worden? Ich meine, damals, als Corona war, mussten ja alle zu Hause bleiben. Dann hat man das aufgebaut. Manche sind dann schneller oder manche auch weniger schnell mit Teams und Zoom und wie die Tools alle heißen, zurechtgekommen. So, und wie ist das dann angenommen worden? Oder war das sogar der Wunsch der Mitarbeiter, als jetzt Corona vorbei war, dieses beizubehalten oder sogar auszubauen? #00:07:22-3#

Müge Akin: Es war eine gemeinsame Entscheidung. Nichtsdestotrotz gab es natürlich Menschen, die gesagt haben, das passt nicht zu mir. Das ist nicht das, was ich will, weil es gab natürlich auch Menschen, die in der Corona Zeit unter dem Homeoffice und Remote-Arbeiten gelitten haben. Es passt nicht zu jedem Menschen. Das muss man natürlich auch respektieren. Das heißt, wir hatten da natürlich auch den Fall, dass einige sich bewusst von uns getrennt haben, und auch Zellstrukturdesign passt nicht zu den Erwartungen von allen Menschen. Es ist, wie du sagst, es gibt auch Menschen, die sagen, ich brauche meine festen Vorgaben, ich brauche einen Vorgesetzten, der mir sagt, auf welchem Projekt ich als nächstes arbeiten werde, und was da die Erwartungen an mich sind. Ganz konkret. Aber das bieten wir nicht mehr. Für Remote-Arbeiten und auch für Zellstrukturdesign muss man sich bewusst entscheiden, oder auch dagegen. Das respektieren wir natürlich, wie gesagt, auch. #00:08:17-9#

Tobias Kirchhoff: Was habt ihr da gemacht? Weil, das würde mich interessieren. Also, die Kultur werdet ihr ja angepasst haben. Was bedeutet das zum Beispiel für die soziale Komponente? Weil ich habe, vielleicht normalerweise oder im Alpha-Unternehmen, oder wenn ich vor Ort bin, habe ich eine Kaffeeküche, ich kann mal eben rübergehen zum Kollegen, zur Kollegin, kann man eben Brainstorming machen, erfahre ja auch die Kollegin, den Kollegen auch ganzheitlich. Das heißt, ich sehe ja auch sehr stark dann Körpersprache etc. Wie geht ihr damit um? #00:08:48-2#

Müge Akin: Unsere Projektteams können natürlich jederzeit entscheiden, ob sie sich zu einem Schulterblick, einem Kick Off Termin vielleicht live sehen wollen und vielleicht ein, zwei Tage die Köpfe zusammenstecken wollen. Das Projektteam entscheidet so was selbst. Was wir trotzdem aber auch anbieten, was wir haben und beibehalten wollen, ist, dass wir jede Gelegenheit außerhalb der Kundenprojekte nutzen wollen, uns real zu sehen und etwas real miteinander zu machen. Dazu gehören unsere internen Workshops, die wir regelmäßig machen. Dazu gehören unsere Stagg Horizon Events, wo wir gemeinsam durch den Wald wandern, ne Kräuterwanderung machen, eine begleitete. Oder ein Koch Event machen oder ins Theater gehen gemeinsam, oder in einer Ausstellung, die gerade in der Stadt ist. Das heißt, wir wollen jede Gelegenheit, live zusammenzukommen, etwas miteinander zu erleben, weiterhin nutzen, dass istuns wichtiger, als es vorher war. #00:09:50-1#

Tobias Kirchhoff: Also dann eher sogar gezielter, dann wahrscheinlich. #00:09:53-7#

Müge Akin: Gezielter, richtig. #00:09:55-0#

Tobias Kirchhoff: Und wie geht ihr dann mit Mitarbeitern um, die sagen, naja, ich möchte eine Work Life Separation eigentlich eher haben? Das heißt also, ich möchte einfach meinen Job machen, aber ich will jetzt gar nicht so viel live Aktivitäten, dann außerhalb der Arbeit mit meiner Firma machen. Da sagt ihr dann, sind das dann die richtigen für euch, oder wie wird damit umgegangen? #00:10:13-3#

Müge Akin: Es sind Angebote, die man machen kann, und dann schaut man, wie diese angenommen werden, und wenn die Resonanz nicht positiv ist, muss man sich noch mal Gedanken machen: Okay, waren es vielleicht die falschen Angebote? Aber auch das sind Themen, denen wir uns gemeinsam widmen. Das ist nicht so, dass sich die HR-Abteilung etwas ausdenkt oder die internal Services, sondern wir sagen, schaut mal, Leute, bei den letzten Stagg Horizons war die Teilnahme nicht sehr hoch, also irgendwas müssen wir da vielleicht anders machen. Wer hat Lust, sich diesem Thema zu widmen? Und dann bildet sich eine Arbeitsgruppe, die Analysiert herausfindet: warum wurden vielleicht die letzten Treffen nicht so gut angenommen, und was geht besser? Wo liegt vielleicht mehr das Interesse der Mitarbeitenden? #00:10:59-7#

Tobias Kirchhoff: Und das funktioniert dann auch gut, also dann wirklich durch die Beteiligung der Mitarbeitenden, dass es dann wirklich nicht ein Top Down-Ansatz ist, sondern dass der quasi, ich nenne es jetzt mal Bottom Up in der eher hierarchischen Denke, aber dass es dann quasi aus einer eigenen Zelle dann generiert wird, was die Mitarbeitenden interessiert. #00:11:17-1#

Müge Akin: Richtig, und das probieren wir aus und schauen, wie das funktioniert, und wenn es nicht so gut funktioniert, dann müssen wir da halt noch einmal ran. #00:11:24-8#

Tobias Kirchhoff: Wie macht ihr das denn, neue Mitarbeitende dann auch zu integrieren? #00:11:29-2#

Müge Akin: Wir sind sehr offen in der Kommunikation, wie wir arbeiten, wie wir leben, in unserem Arbeitskontext, und wir haben ein inzwischen sehr ausgereiftes, gutes Onboarding System, eine Onboarding-Prozess, das schon sehr weit im Voraus beginnt, wo die Kommunikation bis zum Start aufrechterhalten wird, wo der neue Mitarbeitende schon vor dem Start unterschiedlichste Menschen aus dem Unternehmen kennenlernt, die sich ihm widmen, und sich um seine Arbeitsmittel, um die ersten Wochen, die Planung der ersten Wochen, die ersten Coffee Dates mit Kollegen / Kolleginnen, um das gesamte Unternehmen kennenzulernen, die ganzen Tool Schulungen etc. durchzugehen. Das alles haben wir bereits sehr gut in einem guten Prozess untergebracht, sodass sich die neuen Mitarbeitenden schon sehr schnell und sehr früh in das Unternehmen eingebunden fühlen. #00:12:27-4#

Tobias Kirchhoff: An dieser Stelle machen wir eine kurze Unterbrechung, die ich für einen Hinweis nutzen möchte. Wenn ihr Fragen, Anregungen oder eigene Themenvorschläge habt, dann schreibt uns gerne eine Mail an leadgut@tuv.com oder besucht uns auf unserer Webseite tuv.com/leadgut, und wenn euch unser Podcast gefällt, freuen wir uns natürlich, wenn er ihn abonniert oder eine gute Bewertung schreibt, oder am besten beides. Das war es auch schon. Weiter geht's mit dem Gespräch mit Müge Akin. #00:13:02-0#

Tobias Kirchhoff: Ihr seid ja nun auch sehr, sehr schnell wachsend. Wie vermeidet ihr denn, dass dann trotzdem so eine Art Silo-Denken da ist oder dass die Zellen zu groß werden? Wie kann ich mir das konkret vorstellen? #00:13:16-2#

Müge Akin: Wir arbeiten sehr transparent miteinander, und dadurch, dass wir in diesem Rollenmodell denken, vermeiden wir auch diese Silo-Bildung. Das heißt, wenn wir wissen, Tobias hat Kompetenzen, die wir auf einem Projekt benötigen können, dann sind wir frei, auf Tobias zuzugehen und zu sagen: Tobias, kannst du hier eine bestimmte kompetenzbasierte Rolle in unserer Zelle oder auf einem Projekt, in einem Projektteam einnehmen? Das heißt, die Menschen agieren nicht nur innerhalb der Zellen, sondern die Zellen sind durchlässig. Man kann vom Wissen und von den Kompetenzen, von den Expertisen der Kollegen / Kolleginnen jederzeit profitieren. #00:13:59-6#

Tobias Kirchhoff: Wie muss ich mir das vorstellen? Es gibt ja dann eben bestimmte Leute, die haben bestimmte Skills, die dann auch sehr gerne von allen dann genutzt werden. Also, das ist ja normal, dass man dann sagt, so, es gibt hier besonders, ich sag mal, begehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie geht ihr denn damit um? Die werden dann ja wahrscheinlich von allen Zellen gebucht. #00:14:20-1#

Müge Akin: Da ist natürlich die Selbstorganisation ein großes Thema wieder, dass Menschen frei sind, zu priorisieren, wie sie sich einbringen. Aber da, wo ich das Gefühl habe, ich kann etwas bewirken, finde ich auch die Möglichkeit, um meine Kompetenz anbieten zu können. Den Fall hatten wir noch nicht, dass wir einen Kollegen, eine Kollegin überfordert haben. #00:14:41-5#

Tobias Kirchhoff: Ja, weil es gibt ja immer Menschen, die einfach besonders Profil haben, ob das im organisatorischen ist oder auch im kreativen, und da sehe ich immer, die werden natürlich dann auch sehr, sehr gerne auch in allen möglichen Projekten eingesetzt, gerade weil sie diese Kompetenzen haben. Wie macht ihr das mit der Kreativität? Ihr seid ja eine Agentur, die ja auch von Kreativität lebt. Meine Erfahrung ist, also wir kommen insbesondere zusammen, wenn wir kreativ sein wollen, weil wir dann sagen, dass wir in so einen gewissen Flow kommen. Wie macht ihr das? Mit welchen kreativen Techniken oder Methoden oder Tools stellt ihr das sicher, dass die Kreativität auch Remote gut fließen kann? #00:15:23-6#

Müge Akin: Remote entwickelt man natürlich andere Methoden der Zusammenarbeit, auch der kreativen Zusammenarbeit. Dafür gibt es ja inzwischen sehr spannende Tools, die auch richtig Spaß machen. Wir arbeiten sehr stark kollaborativ und transparent zusammen. Das heißt, wir nutzen Tools wie beispielsweise Miro sehr stark für die kreative Arbeit, aber auch viele interne Prozesse, die auch sehr von Kreativität profitieren. Es ist eigentlich ein Wandel. Und diesen Wandel, wenn man sich dem offen stellt und sagt, wir holen da das beste für uns heraus, dann kann er sehr gut funktionieren, weil es gibt bereits unterstützende Tools für kreative Zusammenarbeit. #00:16:08-4#

Tobias Kirchhoff: Ich denke, Miroboard ist wirklich auch eine Möglichkeit oder überhaupt mit mit solchen Bardos zu arbeiten. Ich stelle dann immer fest, so dass dieser Informelle, dieser spontane Austausch, der ja auch für kreative Ideen gut ist, dass der dann trotzdem so ein Bisschen verloren geht, weil du musst dann ja dann doch wieder die Sachen aufschreiben oder dranpinne etc., und das dann aber so dieses eher Informelle dann doch ein bisschen auf der Strecke bleibt. Wie löst ihr das? #00:16:35-9#

Müge Akin: Es ist ja nicht so, dass wir nicht zusammenkommen, nicht gemeinsam arbeiten. Das machen wir auf allen Projekten, auch unseren internen Projekten, dass wir uns, auch wenn es virtuell ist, sehen und miteinander sprechen. Das heißt, wir arbeiten sehr viel intern über Teams. Wir haben da unsere Chats, unsere Channels zu den verschiedenen Projekten oder Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen, und wir machen Meetings und tauschen uns auch direkt aus zu Themen. #00:17:08-5#

Tobias Kirchhoff: In der, ich sag mal, öffentlichen Diskussion wird ja im Moment so ein bisschen werden ja die Generationen, ich sag mal, gegeneinander auch ein bisschen ausgespielt. Da spricht man ja von der Generation Z, die sehr affin ist für remote Themen, für digitale Themen oder sei, dafür aber dann nicht so affin für die Arbeit sei. Und dann sagt man, auf der anderen Seite gibt es ältere Generationen - X oder die Boomer-Generation, die zwar sehr fleißig seien, aber gar nicht so den Zugang zu diesen ganzen digitalen Themen haben. Wie nehmt ihr das wahr? Wie ist das bei euch? #00:17:42-7#

Müge Akin: Bestimmt haben sich einige Mitarbeitende schwerer getan als andere, diese Digitalisierung anzunehmen und sich da zurechtzufinden. Aber da helfen wir uns auch sehr stark gegenseitig. Das heißt, wir haben auch für jedes Tool Ansprechpartner, die sich auch freiwillig sich zur Verfügung stellen und da begleiten. Was wir nicht sehen, ist, dass die jüngeren Generationen Arbeit nicht ernst nehmen oder vielleicht etwas scheuer sind. Sie wollen nur anders arbeiten, und die Art, wie wir bei Stagg uns entwickelt haben in den letzten Jahren, macht uns, glaube ich, auch für diese Menschen spannend, die anders arbeiten wollen, die sich anders einbringen wollen, die nach ihren eigenen Werten und Prinzipien arbeiten wollen. Das ist das, was wir weitestgehend versuchen zu ermöglichen. Du hast vorhin davon gesprochen, dass es ja oft einfacher ist, nach Vorgaben, nach Regeln, nach vorgesetzten Strukturen zu arbeiten. Das alles erstellen wir selbst. Das heißt, wir haben uns dagegen entschieden, irgendwelche Regeln aufzusetzen, sondern haben gesagt, es gibt die Möglichkeit, wertebasierte Prinzipien zu definieren, nach denen wir zusammenarbeiten wollen. #00:19:01-8#

Tobias Kirchhoff: Was sind das für Werte? #00:19:03-5#

Müge Akin: Das sind Werte, die wir selbst im Unternehmen zusammengetragen haben in einem Workshop. Was ist uns wichtig in der Zusammenarbeit? Und mit diesen Werten haben wir in einem weiteren Workshop geschaut: Wie können da die Prinzipien einer Zusammenarbeit für uns aussehen? An welchen Prinzipien können wir uns in der täglichen Zusammenarbeit orientieren? #00:19:25-4#

Tobias Kirchhoff: Hast du da mal so ein Beispiel für so einen Wert und für so ein Prinzip? #00:19:29-2#

Müge Akin: Also, Wert kann beispielsweise sein: Teamzusammenhalt oder Vertrauen. Und da kann ein Prinzip lauten: ich lasse mein Team niemals im Stich. So, jetzt brauchst du, allein durch dieses eine Prinzip brauchst du keine Regeln mehr, wie Beispielsweise für eine Urlaubsübergabe oder was mache ich, wenn ich krank bin? Wem melde ich was? Weil dieses Prinzip sagt, du lässt dein Team nicht im Stich und du verhältst dich genau so, wie es dem entspricht. #00:19:59-1#

Tobias Kirchhoff: Auch da sehr viel Eigenverantwortung und letztlich auch Engagement, sich um solche Themen dann auch zu kümmern. #00:20:06-0#

Müge Akin: Das Interesse der Menschen ist da. Es ist diese Art von selbstbestimmtem Arbeiten, die sehr erstrebenswert ist, klar, aber auch sehr viel initiative Eigeninitiative und Eigenverantwortung erfordert. #00:20:21-6#

Tobias Kirchhoff: Wie geht ihr in so einem System mit Konflikten um? Weil die kommen ja immer auf, egal in welchem System man ist. Wie löst ihr da Konflikte? #00:20:29-9#

Müge Akin: Indem wir miteinander sprechen. Indem wir darüber sprechen, wodurch entstehen diese Konflikte und wie können wir sie vermeiden? Das heißt, Kommunikation ist natürlich das A und O im Zusammenleben, im Zusammenarbeiten, in Beziehungen, denn wir stehen ja alle in einer Beziehung zueinander. Gerade auch im Job stehen wir in Beziehungen zueinander. #00:20:54-0#

Tobias Kirchhoff: Wie helft ihr den Mitarbeitenden oder auch insbesondere den Führungskräften dabei, genau so dieses Leben zu können? Weil ich kann mir vorstellen, das wird ja, wenn man damit anfängt, gar nicht so einfach sein. Dann ist man auf dem Weg, und trotzdem muss man sich ja weiterentwickeln. Wie unterstützt ihr da eure Mitarbeiten? #00:21:12-5#

Müge Akin: Führungskräfte, wie sie generell verstanden werden, gibt es ja in der Beta-Organisationsform nicht. Das heißt, wir haben natürlich fachliche Kompetenzträger, die aufgrund ihrer Expertise, Erfahrungen, Kompetenzen, Kollegen / Kolleginnen coachen und bei Projekten als Sparringspartner zur Seite stehen, und sie treiben ihre jeweiligen Kompetenzgebiete voran. Das ist das, was wir unter neuer Führung verstehen. #00:21:42-2#

Tobias Kirchhoff: Und habt ihr auch zu eurer Aufstellung, also Remote / Beta-Strukturen / Zelldesign, bekommt ihr da auch Reaktionen von Kundenseite, oder sagt der Kunde, na ja, solange ich einfach die Lieferung kriege, ist mir das egal? Oder sagt auch der Kunde: Ach, das ist ja mal ein spannender Ansatz! #00:22:00-1#

Müge Akin: Unsere Kunden spüren das zum Teil stark, zum Teil weniger stark. Es kommt natürlich auch immer drauf an, wie der Kunde auf seiner Seite sozusagen organisiert oder aufgestellt ist. Wir arbeiten mit viel Konzernkunden, Automobilkunden, wo ich glaube, dass die Menschen, mit denen wir da zusammenarbeiten, vielleicht nicht ganz so spüren, was sich bei uns verändert hat. Aber dann gibt es wiederum Kunden, mit denen wir in einer anderen Art von Austausch stehen, und diese Kunden sind begeistert von dem, was bei uns stattgefunden hat, was bei uns passiert, wie wir uns entwickelt haben als Unternehmen, und haben bisher nur positive Rückmeldungen erhalten. #00:22:46-3#

Tobias Kirchhoff: Ja, und da wäre dann auch meine nächste Frage dann dahin, was sind denn die Voraussetzungen? Ich meine, Corona war jetzt einfach auch ein Katalysator, den ihr ja quasi weitergeführt habt. Wenn sich jetzt heute in Unternehmen überlegt, ja, das ist ein ganz spannendes Modell, Remote und auch die Beta-Strukturen, was sind denn da die Voraussetzungen, damit ich das in meinem Unternehmen umsetzen kann? #00:23:11-2#

Müge Akin: Es ist natürlich erst einmal ein Kraftakt. Und deshalb ist es wichtig, vor Augen zu haben, warum machen wir das? Warum wollen wir das? Was bringt uns das? Welche Vorteile haben wir davon? Freiheit ist zum Beispiel das, was wir sehr gespürt haben in der Corona Zeit und die wir nicht mehr hergeben wollten. Ich glaube, wenn das "Warum" klar ist und man da ein Commitment hat, das "Wie" viel leichter von der Hand geht, weil man sich da gemeinsam und offen Gedanken dazu machen kann. Wir haben Anfangs gesagt, man muss daran arbeiten: Wie setzen wir die digitalen Strukturen auf, und welche Haltung brauchen wir als Unternehmen gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden zu dieser neuen Art von Arbeit oder Arbeitswelt? Und das ist das, was wir unter Brcks, Bytes & Behaviour verstehen. Wir haben unser schickes großes Office am Medienhafen aufgegeben, haben uns aber dafür Deutschlandweit in über 40 Design-Offices eingemietet. In jeder größeren Stadt gibt es mindestens ein Design-Office, und da kann jeder Stagg & Friends-Mitarbeitende hingehen und von dort aus arbeiten. Das heißt, man ist nicht einfach nur auf Homeoffice reduziert. Ich kann auch eine Workation machen. Ich war selbst den ganzen September über weg und habe gearbeitet und viele schöne, neue Orte gesehen. Das alles ist möglich, braucht aber natürlich auch professionelle Lösungen. Aber wie gesagt, wenn das "Warum" klar ist, wenn das "Warum" gewollt ist und von allen getragen wird, dann findet sich schon das "Wie". #00:24:57-0#

Tobias Kirchhoff: Siehst du, wenn man jetzt so nach vorne schaut, Herausforderungen ab einer gewissen Größe? Wenn man sagt, man ist, weiß ich nicht 10.000 Mitarbeiter, lässt sich dann so etwas dann noch umsetzen? Oder sagst du, na ja, gerade das Thema Beta-Strukturen lebt eigentlich davon, dass man nicht ganz so groß ist, also dass sich die Zellen noch so lange teilen können, wie es übersichtlich ist? Oder wie siehst du das, nach vorne denkend? Oder sagst du, hey, das kann auch ein Modell sein für Konzerne? Nicht heute vielleicht, aber in der Zukunft. Wie siehst du das? #00:25:32-0#

Müge Akin: Beta ist ja ein System, das auf Dezentralisierung basiert. Das heißt, die Zellen agieren eigenverantwortlich, sie haben ihre oder tragen ihre eigene wirtschaftliche Verantwortung, ihre eigene Entwicklungsverantwortung. Und genau das ist, glaube ich, ein System, was nicht nur zukunftsfähig ist, sondern auch sehr gut ausgebaut werden kann oder auch in größten Unternehmen sehr gut funktionieren kann durch die Dezentralisierung, durch die Möglichkeit, dass Menschen Verantwortung übernehmen. #00:26:07-3#

Tobias Kirchhoff: Ja, was heißt das für die Größe von Unternehmen? Ist es unabhängig von der Größe? Oder heißt das, naja, es werden nicht immer alle Menschen Verantwortung oder Eigenverantwortung übernehmen können, so dass man dann doch sagt, es ist dann irgendwann eine gewisse Grenze da? #00:26:22-9#

Müge Akin: Gerade durch das dezentrale Arbeitsmodell ist das Modell für große Unternehmen auch sehr interessant. Dadurch, dass es nicht zentral gelenkt und gesteuert werden muss, weil sich die Zellen eigenverantwortlich verhalten, sie sind auch für ihre wirtschaftliche Entwicklung verantwortlich, sie sind für ihre personelle Entwicklung verantwortlich und müssen nicht von außen gesteuert werden, ist das eigentlich ein sehr gutes System oder sehr gute Organisationsform für größere Unternehmen. #00:26:55-0#

Tobias Kirchhoff: Ja, wie gesagt, ich glaube, wenn alle Mitspielen. Ud ich habe mir nochmal angeschaut in Richtung der Beta-Strukturen: Es gibt ja so einen Beta-Kodex mit so verschiedenen, ich sag mal Artikeln, und da gibt's einen Artikel, der nennt sich Ressourcendisziplin, und da sagt halt eben der Beta-Kodex: Zweckdienlichkeit statt Statusgedöns. Gerade in größeren Unternehmen hat man, glaube ich, dieses Thema Status vor Sachdienlichkeit. Ich glaube, das wäre eine sehr, sehr große Herausforderung, insbesondere in großen Unternehmen, jenseits der Dezentralisierung aus dieser Statusorientiertheit, so nenne ich das mal, rauszukommen. War das für euch auch ein Thema? #00:27:39-7#

Müge Akin: Das ist natürlich ein Thema. Und das ist ein Thema, mit dem man sich sehr intensiv beschäftigen muss, weil es ja einmal für die Menschen, die einen Status, eine Position, eine Verantwortung inne haben, eine Veränderung mit sich bringt, aber auch für die Menschen, die bisher verwaltet und organisiert wurden, eine Veränderung darstellt. Und so wie deine Sicht, deine Einstellung auf die Dinge sind, funktioniert das Ganze oder funktioniert auch nicht. Das heißt, die Offenheit zu sagen, lass uns damit beschäftigen. Wie kann es denn in der Zukunft noch besser gehen? Wie können wir denn unser Beta daraus machen? Diese Offenheit sollte da sein, weil ohne diese geht es nicht. Und wie du sagst, es wird natürlich immer Menschen geben, die sagen, das ist nichts für mich, da passe ich nicht rein, da sehe ich mich nicht, damit kann ich mich nicht identifizieren, und dann wird es auch nicht funktionieren. aber mit einer gewissen Offenheit und Neugier auch, wie viel Neues und Erstrebenswertes eine neue Organisationsform wie diese mit sich bringen kann, daraus lässt sich eine ganze Menge machen. Und wir haben ja gesagt, in Beta gibt es nicht diese starren Funktionen oder Positionen, sondern wir handeln so, wie wir auch eine Entwicklung vorantreiben können. Das heißt, ganz unabhängig davon, wie viele Jahre Erfahrung ich habe, sagen wir, im Projektmanagement, wenn ich mich dafür entscheide, eine leitende Rolle in einem Projekt zu übernehmen, dann bin ich mir sicher, es gibt die Kompetenzträger um mich herum, die mich sparren werden, die mich coachen werden, die mich begleiten werden. Und dieses Vertrauen, wenn das da ist, dieses gegenseitige Vertrauen und auch das Streben nach Erfolg, gemeinsam Erfolge erzielen zu wollen, dann kann man das gut so leben. #00:29:30-9#

Tobias Kirchhoff: Liebe Müge, wir sind jetzt schon am Ende unseres Gespräches angekommen, und da würde ich dich bitten, für unsere Hörerinnen und Hörer haben wir immer zum Schluss den einen Tipp, den unser Experte, unsere Expertin, unseren Hörerinnen und Hörern mitgibt. Was ist der eine Tipp, den du hast, wenn jemand sagt: Mensch, das ist ein interessantes Modell, ich arbeite im Moment eher in Alpha Strukturen, ich arbeite im Büro. Was kann ich als Führungskraft vielleicht in meinem Wirkungskreis bereits morgen direkt mal umsetzen, um auszuprobieren, wie weit kann ich in so eine Richtung gehen, in der ihr gegangen seid? #00:30:11-4#

Müge Akin: Was mich sehr motiviert, und ich glaube, viele Menschen, mit denen ich bei Stagg zusammenarbeite, ist tatsächlich das gemeinsame Gestalten. Einladen zur gemeinsamen Gestaltung der Arbeitswelt, wie wir zusammenarbeiten wollen. Ich glaube, das ist ein guter Tipp. Lade die Menschen, mit denen du zusammenarbeitest, ein, die Arbeitswelt zusammen zu gestalten. #00:30:36-2#

Tobias Kirchhoff: Vielen Dank für diesen Tipp und vielen Dank, liebe Müge, für dieses sehr anregende Gespräch, was wirklich auch ein Kopföffner mal wieder gewesen ist, und an euch da draussen ebenfalls ein herzliches Dankeschön fürs Zuhören. Mein Name ist Tobias Kirchhoff und ich hoffe, ihr kehrt inspiriert in euren Arbeitsalltag zurück. Bleibt neugierig, #00:31:00-7#

Outro: lead:gut, Inspiration für Führungskräfte. #00:31:07-6#

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