Miguel Contreras - Teamwork in der Spitzenküche

Shownotes

Es ist angerichtet! Halbgötter in Weiß? In Profi-Küchen haben sie ausgedient. „So zu führen führt zu nichts!“, sagt Miguel Contreras. Er leitet beim TÜV Rheinland die Kantine und betrachtet seine Koch-Brigade als eine gut eingespielte Mannschaft. Was ihn dennoch in Teufels Küche gebracht hat? Die Lust daran, Neues auszuprobieren. Und so stand er auch ab und zu als Sous Chef in „Hell’s Kitchen“ vor der Kamera. Wir haben bei ihm nachgefragt: Wie gehst du mit blinden Flecken um? Was beflügelt deine Kreativität? Wie gehst du mit Trends um und warum ist Sous-vide-Kochen für dich wie ein Remake eines Elvis-Songs? Miguel kocht | DE | TÜV Rheinland (tuv.com)

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Miguel Contreras: dadurch ergab sich dann halt auch, sage ich mal, das ein oder andere lautere Wort oder dieser Mythos von fliegenden Pfannen. Also, das kann ich bestätigen, das gab es wirklich. Ich bin nie getroffen worden, Gott sei dank, aber das gab's schon ja. #00:00:29-0#

Intro: lead:gut, Inspiration für Führungskräfte #00:00:35-4#

Tobias Kirchhoff: Hallo, mein Name ist Tobias Kirchhoff. Ich bin Führungskraft beim TÜV Rheinland, und gemeinsam mit meinen Gästen bespreche und hinterfrage ich aktuelle Leadership, Konzepte und Ideen. In der Gastronomie werden traditionell steile Hierarchien gelebt. Aber stimmt das noch? Ein herausragender Koch orchestriert nicht nur Aromen, sondern auch sein Team, denn moderne Führung gleicht der Kunst eines Meisterkoch: Balance, Kreativität und Präzision. Heute begrüße ich in unserem Podcast Spitzenkoch und Küchenmeister Miguel Contreras. Er ist unter anderem Juror bei "Patissier des Jahres", "Koch des Jahres", war Sous-Chef von Frank Rosin in der Kochsendung "Hells Kitchen2, und ist Chef des Mitarbeiter- und Vorstandscasinos bei TÜV Rheinland. Mit ihm werfen wir einen Blick hinter die Kulissen von Küche und TV-Studio und erfahren hoffentlich, was zeitgemäße Führung und kulinarische Magie verbindet. Lieber Miguel, herzlich willkommen! #00:01:39-8#

Miguel Contreras: Hallo Tobias, freut mich, hier zu sein. #00:01:41-6#

Tobias Kirchhoff: Warum bist du Koch geworden? #00:01:49-8#

Miguel Contreras: Hm, ich wollte eigentlich gar nicht Koch werden. Ich wollt eigentlich Hoteldirektor werden, ehrlicherweise und hatte ja immer schon so einen Faible zum Kochen, zur Gastronomie, und habe auch zuerst eine Ausbildung zum Hotelfachmann begangen, die auch abgeschlossen, und da begab es sich, dass ich im zweiten Lehrjahr in der Küche war und hat mir so gut gefallen, dass ich dann gebeten hatte, da bis zum Schluss zu bleiben. Und so habe ich gesagt: Komm, jetzt machst Du es nochmal richtig, jetzt lernst du es noch mal richtig, und hab ich noch eine Kochlehre angefangen und bin auch in der Küche geblieben, weil ich dann irgendwie mir so dachte, herstellen ist irgendwie anspruchsvoller als hinstellen, und so bin ich dann quasi von der Service Seite in die Küchenseite gewechselt, #00:02:30-3#

Tobias Kirchhoff: und weißt du noch, was dich so fasziniert hat, damals an der Küche? #00:02:33-5#

Miguel Contreras: Ja, das war Anfang der 90er Jahre. Das waren schon so Halbgötter in Weiß. Da gab es den großen Patron, den Küchenchef, und ja, der hat da schon wirklich so das Küchenzepter geschwungen, und der hatte dann, man nennt das ja Brigade in der Küche. Man hat ja kein Team,man hat ja eine Küchenbrigade, hieß es seinerzeit, und das war schon was tolles, machte es schon was her, und da Teil zu sein, das fand ich gut, das wollte ich mitmachen. #00:02:59-6#

Tobias Kirchhoff: Brigade ist auch das richtige Stichwort. Man sagt ja, in der Küche herrscht ein rauer Ton. Wie hast du das erlebt, dann damals in deiner Ausbildung? #00:03:09-2#

Miguel Contreras: Also herrscht, muss man streichen durch herrschte, also, das ist nicht mehr so, da kommen wir vielleicht gleich nochmal drauf, das kann auch nicht mehr so sein heutzutage, aber das war in der Tat, so habe ich es noch erlebt, das war schon wild. Also, das war natürlich geprägt von viel Stress, von anderen Arbeitsbedingungen, die man heute nicht mehr so hat in der Form, und dadurch ergab sich dann halt auch, sage ich mal, das ein oder andere lautere Wort oder dieser Mythos von fliegenden Pfannen. Also, das kann ich bestätigen, das gab es wirklich. Ich bin nie getroffen worden, Gott sei dank, aber das gab's schon ja. #00:03:43-3#

Tobias Kirchhoff: Und warum war das damals so hierarchisch? #00:03:46-9#

Miguel Contreras: Das kommt so ein bisschen vom Militär, das hat so ein bisschen einen militärischen Charakter. Also da gibt es halt den Küchenchef, da drunter gibt's den Sous-Chef, den Vertreter, dann gibt es die verschiedenen Posten, und auf jedem Posten gibt es wiederum ein Chef, einen Postenchef, dann gibt es einen Demi-Chef, ein halb Chef, also jeder ist da so ein bisschen Chef, und dann gibt es den normalen Koch, und dann gibt es den Azubi. Ja, und ich war halt so der kleinste in der Nahrungskette, und man musste dann auch für vieles herhalten, ja klar! #00:04:17-7#

Tobias Kirchhoff: Manche glauben ja, dass auch heute noch eine Top-Down-Führung in der Küche wirklich notwendig sei, um effizient zu arbeiten. Wie siehst du das? #00:04:26-0#

Miguel Contreras: Ja, das sehe ich schon ganz, ganz lange nicht mehr. Das hab ich schon nicht mehr gesehen, als ich nach der Ausbildung fertig war, weil ich gesagt habe, ganz ehrlich, so führen führt zu nichts, muss man ganz ehrlich sagen, weil die Leute sind wirklich gebrochen worden. Also, das hört sich jetzt sehr hart an. Aber wenn am Arbeitsplatz Tränen fließen und Schreierei, das gibt so eine Atmosphäre der Angst, ist ja keiner irgendwie leistungsbereit, oder da kann ja auch keiner Leistung erbringen in so einer Atmosphäre, und das war schon irgendwie so für mich ganz klar, dass ich so nie arbeiten möchte. Und dann denkt man ja auch, irgendwann wirst du dann älter, du bekommst Familie, Kinder und dann denkst du auch, du möchtest ja nicht, dass deine Kinder jemals so angesprochen werden in einem Betrieb. Also, das ist ja unfassbar, und ich sag mal, das hat sich so verwachsen, das gibt's eigentlich fast, Ausnahmen bestätigen die Regel, nicht mehr. #00:05:19-9#

Tobias Kirchhoff: Durch was für ein Führungsstil sind denn die Küchen heute geprägt? #00:05:23-5#

Miguel Contreras: Ja. #00:05:23-6#

Miguel Contreras: Küche, das ist Mannschaftssport. Wenn du da nicht im Team, nicht in der Mannschaft arbeitest, dann wirst du da nicht zum Ziel kommen. Dir muss immer ganz klar sein: ie wichtigsten Leute in der Küche sind die, die dir eigentlich so zuarbeiten. Ja, wenn der Spüler nicht kommt, dann brauchst du nicht anzutreten, dann kannst du an dem Abend nicht gewinnen. Das ist so. Also, wenn der Spüler nicht kommt, und du kriegst deine Sachen nicht sauber, dann kannst du kochen wie ein junger Gott, du wirst verlieren an dem Abend. Das ist ganz klar. #00:05:51-4#

Tobias Kirchhoff: Also, Mannschaftssport, was tust du denn, das die Mannschaft zusammenhält? #00:05:55-0#

Tobias Kirchhoff: Es gibt ja so heutzutage ganz viele moderne Skills, was man so zum Teambilding macht und so, ich bin da so ein Dinosaurier. Ich hab schon immer, schon immer, immer immer, seitdem ich in der Führungsrolle war, Sachen gemacht wie Team Frühstück, wir frühstücken jeden Tag zusammen. Dann kann man über privates quatschen. Man kann aber auch die nächsten zwei Stunden planen und sagen, hast du mal dran gedacht, wir müssen gleich noch... und so weiter. Das gab es schon immer bei uns. Es gab auch schon immer in der Gastro das Feierabendbier, dass man Feierabend gemacht hat, und dann ist man noch mal, weiß ich nicht, in den Kneipe gegangen, hat gesagt, kommen, wir trinken noch zwei Glas Bier und fahren dann nach Hause und quatschen nochmal privat oder dienstlich, wie auch immer. Das hat es schon immer gegeben in der Gastronomie , ich glaube, die hat es erfunden, die Gastronomie das Feierabendbier. Solche Dinge sind halt für mich mega wichtig. #00:06:45-0#

Tobias Kirchhoff: Und machen dann da die Leute auch noch mit? Also früher Feierabend Bier, ist ja doch relativ bekannt. Aber die Menschen haben sich auch verändert, sagen vielleicht auch, ich frühstücke auch ganz gerne mit meiner Familie oder gehe auch nach Hause, bin mit meiner Familie unterwegs. Hat sich das verändert? #00:07:04-0#

Miguel Contreras: Mit Sicherheit, in der Gastronomie eher weniger. Weil der Zusammenhalt ist halt essenziell, weil in der Gastronomie weiß jeder, dass du da keine One-Man-Show machen kannst. Das klappt nicht. Also du wirst nicht ans Ziel kommen, du wirst auf jeden Fall scheitern. Deswegen bist du immer auf deine Kollegen auch ein Stück weit angewiesen. Ich sehe meine Kollegen mehr als meine Familie, und deswegen ist es wichtig, dass wir ein gutes Verhältnis haben. Wir arbeiten mindestens acht Stunden zusammen. Dann, wenn ich nach Hause komme, ist meine Tochter gerade, weiß ich nicht, bei Freunden, meine Frau ist noch selber im Job oder wie auch immer, und dann sieht man sich abends 2, 3 Stunden, und da geht man ins Bett und schläft, und meine Kollegen habe ich die doppelte Zeit am Tag gesehen. Also mit denen verbringe ich viel mehr Zeit, und deswegen ist es mir wichtig, arbeiten ist hart genug, das muss wenigstens Spaß machen. #00:07:51-9#

Tobias Kirchhoff: Ja, und ich glaube, der Kunde bekommt es ja auch mit, auf dem Teller, wirklich Essenz, ob die Arbeit funktioniert im Hintergrund, ob die Rädchen ineinander greifen oder eher nicht. #00:08:01-8#

Miguel Contreras: Ja, schon, der bekommt das mit, der hat natürlich auch ganz oft., deswegen finde ich so ein Format hier gerade ganz, ganz toll, auch ganz oft so eine falsche Wahrnehmung. Also, der Kunde denkt, der Miguel Contreras kommt morgens mit dem Einkaufskörbchen und hat da Pilze drin, dann hüpft er irgendwie in den Betrieb und sagt, Leute, lasst uns heute mal was mit Pilzen machen, wir kreieren mal ein Gericht. Genau so, und so ist es aber bei weitem nicht, bei weitem nicht. Das hat alles mit Planung, Organisation und Absprache zu tun, und alles, was wir so machen, das besprechen wir schon im Team. Wir besprechen neue Gerichte, wir probieren neue Gerichte aus, die Kollegen probieren neue Gerichte aus, präsentieren mir die und sagen, das würde ich mir gerne mal machen. Was halten sie davon? Und das ist halt nicht so, dass der Miguel morgens rein und sagt, Leute, ich hab ne tolle neue Erfindung für euch, wir machen jetzt was mit Champignons! #00:08:53-7#

Tobias Kirchhoff: Ja, du hast es gerade angesprochen, aber trotzdem Kreativität aufrechtzuerhalten, dass deine Mitarbeiter oder du auch selbst sagen hier, wir probieren mal was neues aus, wie schafft ihr das? #00:09:04-7#

Miguel Contreras: Wie schaffen wir das? Also, wir haben halt Mega Bock, ne, also, wir haben wirklich Mega Bock! Also, das hört sich so läppisch an. Wenn wir einen Kartoffelsalat machen, dann geht's bei uns um Leben und Tod. Nein, du lachst, du lachst, aber das ist wirklich so, dann kommen die und dann probieren die und jeder hat eine Meinung, also, die brennen dafür, und ich glaube, ich brenne auch sehr, sehr stark, versuche, das auf jeden Fall vorzuleben. Also, ich bin 47, und ich schlaf heute noch mit dem Kochbuch auf der Nase ein abends. Und wenn du das vorlebst, dann meiner Meinung nach, können die dann gar nicht anders, du musst die halt anstecken! #00:09:44-7#

Tobias Kirchhoff: Du hast gerade auch gesagt, Mannschaftssport. Früher sagte man ja Lothar Matthäus, wenn der Lust hatte, dann bog er auch ein 0:1 in ein 3:1 dann mal um, weil er dann seine ganzen Leute mitnehmen konnte. Trotzdem braucht man da aber auch die richtigen Leute dafür. Wie findest du die? #00:10:02-0#

Miguel Contreras: Ja, wie finde ich die? Das ist heutzutage so schwer geworden, so so schwer geworden. Aber dieses Problem haben alle Restaurants, Hotels, mittlerweile Nachwuchskräfte, Fachkräfte zu bekommen, das ist wirklich so ein Ding. Aber ich versuche halt, umtriebig zu sein. Du sagtest ja eben, ich mach so Juror-Tätigkeiten bei Wettbewerben, ich bin in der Industrie- & Handelskammer, bin da im Prüfungsausschuss für Küchenmeister, für Gesellen, und da mach ich auch schon mal Akquise, wenn mir da ein guter Typ irgendwie so über den Weg läuft, und wir haben gerade eine Vakanz, dann sage ich hören Sie mal, was haben sie denn nach der Ausbildung so vor, und dann spreche ich die mal so an, über das persönliche finde ich da eigentlich immer so neue Kollegen. Also, es ist nie so, dass wir irgendwo inserieren, und dann bewerben sich irgendwie drei. Das findet nicht mehr so statt, gar nicht mehr! #00:10:51-0#

Tobias Kirchhoff: Und du hast ja gerade gesagt, du bist Juror, also Du bist ja nicht nur in der Kantine unterwegs. Holst du dir da auch Inspirationen auch für die tägliche Arbeit, oder ist das eine komplett andere Welt, wo du sagst, die berühren sich eigentlich gar nicht? #00:11:03-8#

Miguel Contreras: Also, die berühren sich alle. Also die komplette Gastronomie berührt sich immer. Ich bin eigentlich immer, und das sollte man sowieso sein, immer mit offenen Augen, offenen Ohren unterwegs und nehme überall eine Inspiration mit, ob es jetzt ein neuer Lieferant ist, der mir ein neues Produkt bringt. Wir haben Lieferanten, wirklich, die brennen auch für ihren Job, und die bringen uns Sachen ran, und die sagen: Mensch, Jungs, probiert das mal aus. Jetzt kam letztens einer und sagte, gucken sie mal hier, Herr Contreras, und wir haben Haferwurzel für sie, da hab ich gedacht was ist das denn? Dann machen wir da dreierlei von der Haferwurzel morgens früh, diskutieren uns die Köpfe heiß, was wir damit machen können, und das steht nächste Woche auf der Karte. Als ich anfing, da wurden so Rezepte untereinander getauscht, auch das ist ja heut nicht mehr. Heute haben die ein Handy voller Rezepte, die jungen Leute, das ist ja irre, das ist ja total irre! Und mit den ganzen social media Geschichten, da prasselt so viel auf uns ein. Man muss dann halt nur schon mal selektieren, da ist auch viel Quatsch dabei, zwischendurch, aber als Inspiration ist genug da, wirklich genug da. #00:12:05-7#

Tobias Kirchhoff: Du hast es gerade angesprochen. Social Media, neue Medien, neue Technologien. Inwieweit halten denn auch in der Küche genau diese Themen auch Einzug? #00:12:16-7#

Miguel Contreras: Ja, es ist natürlich total Up To Date. Jeder kennt es, jeder fotografiert sein Essen und zeigt, was er gegessen hat. Manchmal interessiert es eigentlich gar nicht . #00:12:27-1#

Tobias Kirchhoff: Meistens wird es ja vorher zum Glück fotografiert. #00:12:28-7#

Miguel Contreras: Gott sei dank! Ja, Gott sei dank, nein, aber das ist schon natürlich ein großes Thema, also bei bei den jungen Kollegen, bei uns. Natürlich nimmt das Einfluss. Die sehen neue Produkte, die sehen neue Anrichteweisen, die sehen Rezepte und bringen die rein, und das finde ich mega! Wenn ein Kollege sagt, ich habe da was gesehen, so können wir das nicht machen, aber ich hab mir überlegt, so, und das ist natürlich ganz, ganz stark, und wir selber, wir nutzen das auch. Also wir haben irgendwie festgestellt, beim TÜV Rheinland gucken die Kollegen gerne Kochvideos irgendwie. Also der dicke Onkel, in dem Fall ich, der stellt sich da irgendwie so in Coronazeiten in seiner Küche und kocht dann was für die Kollegen und zeigt ihnen, wie es gehen könnte. Das sind immer nur Vorschläge, das möchte ich auch mal gesagt haben, nur Vorschläge, und es gibt nie den einen Weg, das finden die Jungs halt auch mega, dass wir da nicht so steif sind und mal was machen, was ausprobieren, das kommt super gut an! #00:13:26-8#

Tobias Kirchhoff: An dieser Stelle machen wir eine kurze Unterbrechung, die ich wie immer für einen Hinweis nutzen möchte. Wenn ihr Fragen, Anregungen oder eigene Themenvorschläge habt, dann schreibt uns gerne eine Mail an leadgut@tuv.com oder besucht uns auf unserer Webseite tuv.com/leadgut und wenn euch unser Podcast gefällt, freuen wir uns natürlich, wenn ihr ihn abonniert oder eine gute Bewertung schreibt oder am besten beides. Das war es auch schon. Weiter geht es in dem Gespräch mit Spitzenkoch Miguel Contreras #00:14:03-7#

Tobias Kirchhoff: Für uns zu Hause war zum Beispiel tatsächlich ein Technologiesprung, als der Thermomix Einzug hielt. Auf einmal hattest du Rezepte da. Das Ding kann ja zerkleinern, kochen, gibt ja die Anweisung. Gibt es auch in der Großküche, in der professionellen Küche auch Digitalisierungstendenzen und Technologietendenzen, wo du sagst, wow, hier ändert sich wirklich grundlegend etwas? #00:14:29-2#

Miguel Contreras: Ja, die gibt es, die verfolge ich ehrlicherweise nicht so. Da bin ich der eben erwähnte Dinosaurier, und ich sag mal so, ich brauche keinen Kochcomputer, ich kann ja kochen, also mir muss kein Programm sagen, wie Brokkoli geht. Ich kann ja Brokkoli kochen. Diese Technologien kommen aber immer mehr auf den Markt aufgrund des Fachkräftemangels, bei uns im Bereich, also in unserem Beruf, das ist schon wirklich sehr, sehr, sehr, sehr stark, wir machen es nicht. Also heute, es gibt auch wieder immer was neues, wird was neues durchs Dorf getrieben. Also im Moment ist es so, das flaut schon so ein bisschen ab, ist. diese Sous-vide Technologie, garen im Vakuum, ganz, ganz schonend und so weiter, wird dann so als Heilsbringer verkauft, und die Jungs fordern das auch ein, sich da fort zu bilden, und das muss man auch machen, um auch die Kollegen weiterhin immer weiter für den Job zu interessieren. Aber dann sage ich, Mensch, Männer, das ist aus den Siebzigern, das der Herr Pralus Anfang der Siebziger erfunden, das ist uralt, das ist ,so weiß ich nicht., wenn meine Tochter mir nen geremixten elvis-Song vorspielt, das gab es alles schon, das Rad ist schon rund. Aber nichts desto trotz, um auf die Frage zurückzukommen. Es gibt schon viel Technologie, die Kochen erleichtern soll für die, sage ich mal, nicht so versierten Kollegen. #00:15:46-4#

Tobias Kirchhoff: Und es hilft hoffentlich. #00:15:47-5#

Miguel Contreras: Ich hoffe, man kann dann weniger falsch machen. Aber ich sag mal, der Kochroboter macht immer noch kein Salz an den Brokoli, der macht ihn nur gar. Die entscheidenden Sachen kann der halt noch nicht. #00:15:58-6#

Tobias Kirchhoff: Du hast gerade eben von Männern gesprochen. Wie sieht denn der Frauenanteil in der Küche aus? #00:16:04-9#

Miguel Contreras: Der ist leider, leider, leider viel zu gering. #00:16:07-8#

Tobias Kirchhoff: Warum? #00:16:08-3#

Miguel Contreras: Ja, das ist so, das ist auch eine historische Geschichte. Also, Berufsköche waren immer Männer, weil es schwere Arbeit war, weil es ist ja schon körperlich sehr anstrengend immer gewesen, und die Frau hat zu Hause gekocht. Das finde ich eigentlich total schade, weil ich versuche, immer so viel wie möglich weibliche Kolleginnen zu haben, weil es einfach gut so für die Gemeinschaft ist, für die Betriebshygiene ist und die Jungs auch so ein bisschen runterholt. Ich habe viele junge Kollegen, Auszubildende noch, da sind so Testosteron Monster einfach, und da ist immer so so ein taffes Mädel, die dann die Jungs da so ein bisschen runterholt, von ihrem Testosteron-Rock`n`Roll da, immer ganz gut. Das mögen wir schon sehr, sehr gerne, und da habe ich super Erfahrungen mit gemacht, ganz ehrlich, und die sind auch nicht zu schwach. Das ist auch so ein Mythos wie der, dass nur rumgeschrieben wird in der Küche. Frauen in der Küche finde ich mega. #00:17:01-5#

Tobias Kirchhoff: Sollten da Frauen dann einfach selbstbewusster sein? #00:17:04-9#

Miguel Contreras: Unbedingt. Werden sie aber auch, meiner Erfahrung nach. Werden sie auch, und das fördere ich auch, aber das sollte auch einfach normal sein. Also, wir sprechen heutzutage über so viele Dinge, die so besonders sind. Wir sprechen über Nachhaltigkeit und Wertschätzung und diese ganzen Themen. Das sind, wenn du so überlegst, also der Dinosaurier sagt dir, das gab es schon immer, und wenn du irgendwie, wenn du geradeaus denken kannst, dann ist das normal, dann ist das eigentlich meiner Meinung nach oft gar nicht der Rede wert. #00:17:37-8#

Tobias Kirchhoff: Aber trotzdem muss es ja adressiert werden, damit es, glaube ich, den Menschen bewusst wird. #00:17:42-3#

Miguel Contreras: Ja, total, leider! Leider muss das immer wieder adressiert werden, aber in meiner Welt sollte das eigentlich normal sein. Ein Beispiel: Wir sprechen viel über LGBTQ und diese ganzen Geschichten. Ich hatte bei TÜV Rheinland relativ am Anfang hatte ich eine Auszubildende, die ist als Mädchen gekommen und ist als Junge gegangen. Das ist was ganz normales. Da haben wir einfach im zweiten Lehrjahr die Umkleidekabinen gewechselt und ich habe gesagt, pass mal auf, mach hier kein Theater, mach deine Ausbildung vernünftig, und wenn dich irgendwie einer zankt, ode irgendwie in diese Richtung angeht, kommst du sofort zu mir. Aber lass es sonst bitte kein Thema sein! Für mich ist nur wichtig, dass du das, entschuldigung, Scheiß Omelett braten kannst oder nicht. Entweder du kannst ein Omelett braten, oder du kannst es nicht, dann können wir dich gebrauchen oder nicht, dann kannst du von mir aus blau kariert sein. Das ist mir egal, und das ist auch Küche, das ist auch Teamsport. #00:18:32-8#

Tobias Kirchhoff: Ja, aber das ist ja doch dann sehr, sehr klar, was ich sehr gut finde, an der Aufgabe orientiert, was du in deinem Leben oder daraus machst, liegt bei dir. Wir haben jetzt hier eine gemeinsame Aufgabe, ein Spiel bzw. Essen zu kochen, also eine Mannschafts-Aufgabe, und ist dann Kochen an sich die Küche, ist das ein internationaler Sport? #00:18:52-6#

Tobias Kirchhoff: Weißt du, wenn der Chef schon Spanier ist...Ne, nein, nein, ganz und gar nicht! Also es ist schon internationaler geworden, das ist auch gut so. Das fordern die Gäste einfach auch ein. Jetzt gerade in der Gemeinschaftsverpflegung, fordern das die Gäste auch ein, und die Gäste sind auch viel kundiger, viel interessierter geworden und viel mehr open minded für solche Dinge. Also, als du noch irgendwie vor vor 20 Jahren hier Kassler und Sauerkraut jeden Tag nach drüben geschoben hast, dann brauchtest du irgendwie mit mit nem japanischen Gericht oder so nicht kommen. Heute sagen die; sagen sie mal, Okonomyaki, also das auszusprechen alleine schon, das haben sie ja schon ewig nicht mehr gemacht. wann gibt es das denn mal wieder? Und das finde ich mega gut, das finde ich mega gut, dass wir da angekommen sind, und das zeigt mir auch, dass es normal ist, und das mag ich halt gerne. Ich mag halt nicht darüber sprechen und sagen, wir machen übrigens auch Japanisch. Das ist ein geiles Gericht, und das machen wir einfach. Fertig. Und da machen uns jetzt keine Gedanken darüber, ob wir nicht auch mal was Japanisches machen wollen, so halt, also, wir sind da hemdsärmeliger, so ein bisschen, nicht so viel Theater drum machen. #00:19:59-3#

Tobias Kirchhoff: Lass uns nochmal auf deine Karriere außerhalb unseres Casinos... #00:20:04-4#

Miguel Contreras: Das Leben vorher. #00:20:05-4#

Tobias Kirchhoff: Die Welt des Fernsehkochens - Wie unterscheidet sich das so vom Casino Kochen? #00:20:11-9#

Miguel Contreras: Ja, total, das ist halt, das ist das einzige, was mit Kochen nichts zu tun hat, muss man ganz ehrlich sagen. Weisst Du, warum Kochen im Fernsehen so beliebt ist? #00:20:20-4#

Tobias Kirchhoff: Das wäre meine nächste Frage. Das möchte ich von dir wissen. #00:20:22-9#

Miguel Contreras: Das weiß ich sogar, weil man denkt, man tut sich was gutes. Das ist wie Sport im Fernsehen. Ja, also, du willst Sport machen und denkst dir, Mensch, ich bin nicht gut drauf heute, und dann machst du Leichtathletik an, Sonntags im ZDF Sportstudio, guckst dir Leichtathletik an und hast das Gefühl, du hast dir was gutes getan. Genauso ist beim Kochen auch. Da ist der Fernsehkoch, der macht dann was ganz tolles, und du hast das Gefühl, Mensch, das ist ja klasse, du hast du dir was gutes getan, und dann stehst du von der Couch auf und schiebst dir die Wagner Steinofenpizza in den Backofen. Das ist so der Klassiker, und deswegen appelliere ich immer daran, kleine Sachen zu machen, leicht anzufangen, nicht mit schwierigen Sachen anzufangen. Das muss auch nichts von mir sein oder so, aber es sollte frisch sein, es sollte mal was ausprobiert werden und einfach mal machen und sich nicht an die großen Sachen direkt rantrauen, step by step, und dann tut man sich wirklich was gutes. #00:21:18-9#

Tobias Kirchhoff: Ja, in den aktuellen Kochshows wird ja fast gar nicht mehr nur noch gekocht, sondern da wird ja gebattled, gechallenged. Ja, da sind dann die Promis, von denen ich gar nicht weiß, ob die überhaupt noch kochen können, weil die ja so häufig im Fernsehen sind. #00:21:33-1#

Miguel Contreras: Ähm, das weiß ich aus sehr sicherer Quelle: es geht so. #00:21:35-9#

Tobias Kirchhoff: Gut, wir nennen jetzt keine Namen, aber auch da gilt dann, also man fühlt sich dann besser, weil man ja quasi das, was die gutes Kochen, mit isst. #00:21:46-5#

Miguel Contreras: Genau, und wir kommen dann Montags morgens in Betrieb. Jeden morgen gibt es immer so ein kurzes Meeting, so was wir am Tag vorhaben, Tasse Kaffee dabei, quatschen so ein bisschen. Da fällt auch immer ein privater Satz, hast du gestern gesehen, da haben die wieder die Küche abgebrannt, und wir müssen dann wirklich immer drüber lachen, und das schürt natürlich dieses "laut und schreien und so" - bei uns ist auch kein Feuer. Also wenn wir uns Feuer ist, ist bei uns die Feuerwehr da. Dann haben wir ein Problem. Wir wollen kein Feuer in der Küche, also das ist bei weitem nicht so. Naja! #00:22:17-1#

Tobias Kirchhoff: Heute, Montag morgen, wo wir hier zusammensitzen, was gibt's denn heute in der Kantine? #00:22:23-0#

Miguel Contreras: Heute gibt es in der Tat Okonomyaki, deswegen hatte ich das im Kopf. Heute gibt es in der Tat Okonomyaki und viel Vegetarisch, mittlerweile auch. Vegan gibt es auch, das spreche ich extra durch die verschlossenen Zähne. #00:22:38-5#

Tobias Kirchhoff: Warum? #00:22:38-9#

Miguel Contreras: Ja, das ist etwas, jeder hat so einen blinden Fleck. Das ist unserer, das ist auch meiner. Das gebe ich auch ganz offen und ehrlich zu. Wir machen vieles gut, nicht alles, und das müssen wir auch wissen, und das müssen wir uns auch sagen, das machen wir okay, aber wir geben uns große Mühe, das besser zu machen bald. Also, es ist einfach so, du hast das halt nie gelernt, und ein Veganer, der hat sich dafür entschieden, und deswegen mag ich auch so den Austausch mit dem Kunden. Der ist ja viel besser informiert. Wir haben was ganz anderes gelernt. Wir sind ganz anders konditioniert, ausgebildet worden seinerzeit, und wir robben uns aber da dran. Wir robben uns aber da dran, weil wir auch da Bock drauf haben, weil wir sagen, wir wollen natürlich für den Gast, für den Kollegen kochen und nicht an den Kollegen vorbei. #00:23:24-4#

Tobias Kirchhoff: Was ist dein Lieblingsgericht? #00:23:28-9#

Miguel Contreras: Mein Lieblingsgericht. Hab ich ein Lieblingsgericht? Ich esse schon gerne Pulpo. Das ist so die spanische Ecke. Pulpo esse ich schon super, super gerne, und wenn ich ein deutsches Lieblingsgericht nennen würde, wäre es wahrscheinlich Königsberger Klopse. #00:23:46-4#

Tobias Kirchhoff: Was magst du gar nicht? #00:23:47-4#

Miguel Contreras: Was mag ich gar nicht? Blauschimmelkäse. #00:23:49-9#

Tobias Kirchhoff: Was sollten unsere Hörerinnen und Hörer unbedingt mal zubereiten, wenn sie selber kochen? #00:23:55-5#

Miguel Contreras: Das ist schon schwierig. Also ich werde immer gefragt, Herr Contreras, wie mache ich denn ein gutes Steak? Das macht doch keiner! Wir essen, noch nicht jeden Tag Steak! Also manchmal hab ich so das Gefühl, alle braten sie Steaks, alle grillen sie Steaks, nein, also gerne vegetarisch. Ich esse sehr, sehr gerne vegetarisch. Bratkartoffeln mit einem Spiegelei könnten ein Hochgenuss sein. #00:24:18-5#

Tobias Kirchhoff: Aber mit Zwiebelchen. #00:24:24-0#

Miguel Contreras: Mit Zwiebelchen, genau. Gemüse ist wirklich unterschätzt, wirklich, wirklich unterschätzt! Und was habe ich jetzt aktuell? Gestern abend hab ich Aubergine gegessen, gebraten Aubergine, vorher in Bier mariniert, nicht so viel Bier, damit auch noch was zum Trinken übrig bleibt dann durch so eine Ei-Panade gezogen. Salat dabei, picobello, das war gut. #00:24:46-4#

Tobias Kirchhoff: Gut, ja, das können ja unsere Hörerinnen und Hörer mal ausprobieren. Auch gerne schickt uns Fotos von dem, was ihr da anrichtet. #00:24:53-6#

Miguel Contreras: Genau, was ihr da so anrichtet, in der Küche! #00:24:56-1#

Tobias Kirchhoff: Welche Essenszutat wird aus deiner Sicht überschätzt? #00:25:00-3#

Miguel Contreras: Chilifäden. #00:25:02-1#

Tobias Kirchhoff: Und welche wird unterschätzt? #00:25:04-9#

Miguel Contreras: Salz. #00:25:05-6#

Tobias Kirchhoff: Also könnte ruhig mehr Salz sein? #00:25:06-9#

Miguel Contreras: Ich sage immer lieber ein Gramm mehr als fad, seid mutig! Also manchmal sind es nur drei Gramm Salz, die ein gutes von einem schlechten Essen unterscheiden. Des Deutschen Lieblingsprodukt sind die Kartoffeln. Salzkartoffeln schmecken meistens nicdann nach Salz, und das liegt daran, dass das Wasser nicht genug gesalzen ist und dass sie ja nach gesalzen werden. Das Salzwasser muss immer salzig schmecken. #00:25:29-8#

Tobias Kirchhoff: Ein Tipp für unsere Hörerinnen und Hörer. Jetzt sind wir leider schon am Ende unseres Gesprächs, und am Ende unserer oder meiner Gespräche frage ich immer meinen Gast, so auch heute dich, was ist der eine Tipp aus Führungssicht, also als Casino Chef, wenn du unseren Hörerinnen und Hörern einen Tipp geben kannst, was sollen sie beherzigen? Was ist dieser Tipp? #00:25:54-4#

Miguel Contreras: Hört euren Kollegen zu. #00:25:56-4#

Tobias Kirchhoff: Das war kurz und bündig. Lieber Miguel, vielen Dank, dass du hier gewesen bist. Es hat mir viel, viel Spaß gemacht, und an euch da draußen ein Dankeschön fürs Zuhören! Mein Name ist Tobias Kirchhoff. Ich hoffe, ihr kehrt inspiriert in euren Arbeitsalltag und auch in euren Kochalltag zurück. Probiert mal etwas aus und bleibt vor allen Dingen neugierig. #00:26:19-5#

Miguel Contreras: Keep on cooking! #00:26:20-4#

Outro: lead:gut - Inspiration für Führungskräfte. #00:26:24-5#

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