Markus Biermann - 35-Stunden-Woche

Shownotes

Rechnet sich das? Markus Biermann, Gründer und Gesellschafter einer der größten unabhängigen deutschen Mediaagenturen ist überzeugt: Flexibilität und Stundenverzicht sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Er hat in seinem Unternehmen die Regelarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich reduziert und lässt Mitarbeitende seitdem eigenverantwortlich entscheiden, wann sie arbeiten – vorausgesetzt, diese Entscheidung berücksichtigt auch die Bedürfnisse der Kundschaft. Dafür hat er den Handelsblatt Mindshift-Award gewonnen. Tobias hakt nach:

Was unterscheidet den Future-Work-Ansatz von “New Work”? Wie subversiv müssen Mitarbeitende sein, damit der Plan aufgeht? Warum regte sich dennoch auch Widerstand gegen die Idee? Was hat das alles mit Crossmedias neuem Kulturzentrum zu tun?

Mindshift Award https://award.handelsblatt.com/mindshift/preisverleihung/

Crossmedia https://www.crossmedia.de/news/

Markus Biermann https://www.linkedin.com/in/markus-biermann-877912141/

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Markus Biermann: Remote war tatsächlich der Kriegsgewinn, wenn man so sagen will. Also die Pandemie war Horror, war schrecklich, aber das gute war, dass die Leute gelernt haben, eigenverantwortlicher zu arbeiten, als man es ihnen vielleicht zugetraut hätte, und dass sie mit Unterstützung von Technik und Eigenregie dafür gesorgt haben, gut auch zu arbeiten, egal von wo. #00:00:25-3#

Intro: lead:gut - Inspiration für Führungskräfte. #00:00:31-7#

Tobias Kirchhoff: Mein Name ist Tobias Kirchhoff, Führungskraft beim TÜV Rheinland. Zum Thema Leadership stelle ich mir jeden Tag viele Fragen, die ich gerne mit euch teilen und mit meinen Gästen besprechen möchte. Heute möchte ich wissen: heißt weniger arbeiten auch weniger Produktivität? oder heißt es vielleicht sogar mehr Produktivität? Ich spreche mit einem, der es wissen muss, der in seinem Unternehmen die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt hat, und das in einer Mediaagentur. Ich spreche heute mit Markus Biermann, Gründer und Gesellschafter von Cross Media, eine der größten Networkfreien, heißt unabhängigen Mediaagenturen Deutschlands. Hallo Markus, schön, dass du hier bei uns bist! #00:01:18-7#

Markus Biermann: Hallo Tobias, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich auf diesen Talk. #00:01:22-6#

Tobias Kirchhoff: Markus, ihr habt 35 Stunden Regelarbeitszeit eingeführt. Ihr nennt das Future Work Ansatz. Was ist dieser Ansatz genau? #00:01:39-4#

Markus Biermann: Dieser Ansatz beschreibt, dass wir nicht einfach das Schlagwort New Work nehmen wollten, weil wir, als wir es nutzen wollten und sagen wollten, wir machen was neues, das schon sehr verbraucht war, und jeder hat es für seine Zwecke fremdverwendet. Der eine wollte damit ausdrücken: weniger Arbeit und die gleiche Bezahlung, der andere wollte sagen, 4 Tage Woche, und der andere wollte sagen, wir haben Spielgeräte im Innenraum, uns war wichtig für uns, nicht für die Presse, sondern erst mal für uns, einen Begriff zu finden, wo wir sagen, darunter subsumieren wir alles, was wir glauben, was man aus der Corona-Zeit als Gutes überbringen muss in eine neue Zeit. Corona war natürlich eine Katastrophe, viele Menschen sind gestorben, viele Einschränkungen und so weiter. Was man aber festhalten muss, ist, dass wir von einem auf den anderen Tag alle Remote arbeiten mussten, alle sich ihren Weg gefunden oder gesucht haben, das gut zu bewerkstelligen, also alle, auch außerhalb der Cross Media , die gesamte Gesellschaft, und ich finde, wir als Gesellschaft, aber eben ganz besonders als Cross Media, haben da sehr gut gemacht. Und wir wollten, dass die positiven Erfahrungen, die wir gesammelt haben, nicht verloren gehen. Und so haben wir gesagt, okay, bevor wir jetzt auch mit New Work kommen und das so unter diesem Schlagwort subsumieren, haben wir gesagt, wir brauchen einen neuen Begriff, der heißt Future Work, und der beinhaltet eben nicht nur bunte Sessel und Spielgeräte, sondern viele unterschiedliche Dinge, die zusammengreifen. #00:03:15-4#

Tobias Kirchhoff: Was sind das denn für Dinge? Was ist so grob in dem Paket, ich nenne das mal so, was ist da drin? #00:03:20-5#

Markus Biermann: Also zum einen ist es, glaube ich, die Grundphilosophie, die wir versucht haben, in dem ganzen Spektrum zu beschreiben. Das eine ist, wir waren schon immer Human Centric. Wir waren schon immer so, dass wir gesagt haben, es kommt auf den Einzelnen an. Wir haben sehr verschiedene Charaktere innerhalb der Cross Media und haben dort auch Punkte aufgeführt, die sperrig sind, die vielleicht für jemanden, der sich von außen das anguckt, sagt, das gibt es doch gar nicht, das geht doch so nicht! Und trotzdem haben wir sie durchgesetzt und haben gesagt, der Mensch steht im Mittelpunkt. #00:03:52-6#

Tobias Kirchhoff: Was sind das für sperrige Sachen? #00:03:54-4#

Markus Biermann: Dass ich zum Beispiel jedem Neuling innerhalb der Cross Media sage, er darf die Berichtslinie durchbrechen oder nicht nur er darf, er soll und muss. Das heißt, ich stelle mich vor die Kickstarter, so heißen sie bei uns, und sage ihnen, dass sie, wenn sie mit ihrem Vorgesetzten nicht klarkommen, dann ist das kein Grund zu kündigen. Wir würden viel Geld in ihre Ausbildung stecken, und wir gehen erst mal davon aus, dass bei dem Verhältnis zwischen Vorgesetzten und ihm oder ihr es dazu kommt, dass irgendwelche menschlichen Dinge im Widerstand stehen und wie die auflösen müssen. Und das heißt nicht, dass wir daran glauben, dass man das reparieren kann, aber wir haben so viele Vorgesetzte im Unternehmen, dass man sich den ja auch aussuchen kann. Insofern appelliere ich an die einzelnen neuen Mitarbeitenden, sich eben zu öffnen und in dem Moment, wo sie das Gefühl haben, sie kommen nicht weiter, der Vorgesetzte ignoriert sie, versteht sie nicht, der kriegt nicht genug Wissen ab, was auch immer es ist, sich doch vertrauensvoll an Kollegen zu wenden und das Thema zum Thema zu machen. Oder eben an eine der für uns wichtigen personalverantwortlichen Personen im Unternehmen. Und das geht nicht immer gut aus, insofern gibt es als Ultima Ratio sicherlich auch die Kündigung von jungen Leuten bei uns. Aber in der Regel eröffnet das Horizonte, das heißt jemand, der sagt, oh, ich bin in der Sackgasse, der muss nicht unbedingt eine Sackgasse sein, sondern findet über das Gespräch über das sich Äußern dazu ganz schnell eine andere Position, eine ganz andere Heimat. Und das haben wir über die Jahre perfektioniert. Und das ist eine Geschichte, die ich sagen würde, im Lehrbuch steht: nein, du musst den Berichtsweg einhalten, es geht nicht anders. Ich bin da Vertreter von "Nein, das sind Menschen, und der eine mag sich und die anderen mögen sich nicht." Wie auch immer, das muss man dann anders lösen. #00:05:46-0#

Tobias Kirchhoff: Kommen wir zurück zum Future Work Paket: 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist ein wichtiger Pfeiler. #00:05:53-7#

Markus Biermann: Ja, nur, ich möchte ergänzen, dass das ganze erstens natürlich in dem Konstrukt steht, dass wir sagen, wir wollen etwas bilden, was für die Menschen gut ist. Menschen sind aber nicht nur Mitarbeiter, sondern eben auch Kunden. Das heißt, wir glauben daran, dass das, was wir tun, letztendlich unserem Geschäft zugute kommt. Wir glauben daran und sind überzeugt davon, dass Mitarbeiter, die mehr Freiheit genießen als Kontrollwahn, dass die besser Performen für uns und unsere Kunden als das anderswo möglich ist. Und diese Freiheit geben wir. Das hat aber auch viel damit zu tun, dass wir von unseren Mitarbeitern sehr viel Verantwortung verlangen und sehr früh Verantwortung verlangen, und deshalb haben wir uns auch nicht leichten Herzens, aber schon sehr dafür entschieden, dieses Human Centric in die Mitte zu stellen, weil wir auch daran glauben, dass das Client Centric ist, um dann dafür zu sorgen, dass zum Beispiel 35 Stunden der Standard sind bei vollem Lohnausgleich. Die Erfahrung aus der Corona Zeit war sehr, sehr gut, und wir haben gesagt, das können wir übertragen. Der nächste Punkt ist, dass wir in dem, wie wir unser Gebäude nutzen, unser Büro nutzen, immer schon eine sehr offene Austauschkultur gefördert haben, und das werden wir jetzt fortsetzen. Und eben zu Future Work gehört auch, dass wir die glückliche Fügung haben, dass wir zu Beginn des neuen Jahres ein neues Gebäude, in unser neues Kulturzentrum einziehen werden, und das wird schon einige Aspekte haben, die eben anders und abweichend sind von dem, was man üblicherweise kennt oder zumindest mal vor Corona gekannt hat. #00:07:32-1#

Tobias Kirchhoff: Und dann kommen alle wieder zurück ins Büro? Oder werdet ihr das Thema Remote, das ist ja auch eine Errungenschaft, denke ich, aus Corona, würdet ihr das Thema Remote beibehalten? #00:07:42-9#

Markus Biermann: Remote war tatsächlich, der Kriegsgewinn, wenn man so sagen will, also die Pandemie war Horror, war schrecklich, habe ich gerade schon gesagt. Aber das Gute war, dass die Leute gelernt haben, eigenverantwortlicher zu arbeiten, als man es ihnen vielleicht zugetraut hätte, und dass sie mit Unterstützung von Technik und Eigenregie dafür gesorgt haben, gut auch zu arbeiten, egal von wo. Und das haben wir sehr zu schätzen gelernt und sind dann aus der Pandemie gekommen und haben gesagt, wir wollen diesen Schatz nicht nur heben, wir wollen ihn nicht verlieren. Wir wollen diesen Schatz des Remote Arbeitens für uns gewinnen. Trotzdem würde ich heute sagen, ja, unser Ziel ist subversiv, bei aller Flexibilität dafür zu sorgen, dass die Leute Spaß haben an Gemeinschaft, Spaß haben, sich auszutauschen und Spaß haben, in die Firma zu kommen, ins Büro zu kommen, weil sie dort mit anderen oder nicht gezielten Kontakten ins Gespräch kommen und so das Wissensmanagement einfach weitergetragen wird, der Austausch gefördert wird und die Neugierde gefördert wird, die notwendig ist, um dann gut einen Kunden betreuen zu können. #00:08:56-5#

Tobias Kirchhoff: Ihr habt ja dieses Future Work, ich nenne es nach wie vor mal Paket, weil ja viele Sachen dazu gehören, habt ihr ja Anfang letzten Jahres eingeführt, ich glaube, erst als Pilotprojekt. Wie seid ihr das angegangen? Habt ihr einfach gesagt, so Leute, jetzt 35 Stunden, schreibt das auf, und jetzt macht mal, oder gab es da einen, ich sag mal, Einführungsplan, und wie gut hat der Funktioniert? #00:09:20-4#

Markus Biermann: Ich würde sagen, Kennzeichen der Cross Media ist immer auch, dass, wenn neue Ideen aufkommen, es leidenschaftlich diskutiert wird. Diese Phase haben wir uns gegönnt, ich würde sagen, übermäßig gegönnt. Wir haben alle möglichen Szenarien durchgespielt, was passieren könnte mit den Leuten, wie vielleicht Leute es ausnutzen würden, dieses New Work oder Future Work , wie man natürlich den Führungskräften auch die Kontrollverluste, die existieren könnten, wegnimmt. Und so Weiter. So haben wir sehr viel abgewogen und haben dann entschieden: Erstens es setzt weniger bei den Mitarbeitenden generell an, sondern eher bei den Führungskräften und haben für sie Workshops gemacht, wie sie mit Remote Arbeit und dem flexiblen Teamarbeiten besser klarkommen, als sie es vielleicht gewohnt waren. Das haben wir vorangestellt und haben dann den Schlachtplan entwickelt, zu sagen, wir wollen auf der einen Seite von 38 auf 35 Stunden, wir wollen volle Flexibilität. Es kann jeder entscheiden, aber wie üblich, der schöne Rosa Luxemburg-Spruch ist, die Freiheit des Einzelnen ist die Freiheit des Andersdenkenden. Also muss ich dafür sorgen, dass ein Mitarbeitender nicht von dem Freiheitsdrang des Anderen geschädigt wird, und deshalb muss das im Team funktionieren. Deshalb gibt es unterschiedliche Teamführung, und natürlich ist der Wunsch von Führungskräften dann groß, der sagt nein, wir müssen es einheitlich machen. Und ich sage nein, ihr müsst es schon auseinandersetzen im Team, damit ihr für euer Team die richtige Bestimmung findet. Jedenfalls haben wir das sehr stark verfochten und haben gesagt, gut, von 38 auf 35 Stunden, Flexibilität des Arbeitsortes auf jeden Fall, aber im Team und in der Leistung für den Kunden muss es stimmen. Und neben dieser Arbeitszeitverkürzung haben wir uns eben auch entschlossen zu sagen, es gibt genügend Situationen und Menschen, die gerade in einer Phase sind, wo sie ihre Leistungsbereitschaft total unter Beweis stellen wollen. Die wollen vorankommen, die wollen Karriere machen und so weiter, und haben uns dann entschlossen, einen Ausgleich für Mehrarbeit zu installieren, was wir vorher nicht hatten. Das war eine Komponente, die uns wichtig war, weil wir nicht plötzlich Leute anlocken wollten, die vielleicht nur 35 Stunden in der Woche arbeiten wollten, sondern eher Leute auch bekommen wollten, die durchaus mehr arbeiten wollen, dazu aber einen abgestimmten und dann unter Eigenregie stattfindenden Ausgleich für sich sehen wollen. Und dann haben wir gesagt, wir rollen das über 6 Monate aus, in der klaren Absicht, das nicht zur Probe zu machen. Aber es hat immer mehr Gestaltungsfreiheit, wenn man vorher sagt, man macht es zur Probe, um dann tatsächlich dazu zu kommen, es durchgesetzt zu haben. #00:12:19-6#

Tobias Kirchhoff: Und jetzt seit ihr auf den Weg, und ich glaube auch mit dem Gebäudewechsel bekommt man das auch nochmal, ich sag mal, haptisch zu fassen. Wie ist das dann angenommen worden, von den Mitarbeitern oder bis heute angenommen worden? Jetzt seid ihr ja anderthalb Jahre etwa in dieser, du hast im Vorgespräch gesagt, Inbetween-Situation, und wie wird das von den Mitarbeitern angenommen, von den Mitarbeitenden? #00:12:43-0#

Markus Biermann: Ich glaube, das wird also, ich weiß, es wird gut angenommen. Es ist sicherlich am Anfang für alle nicht ganz einfach gewesen zu sagen: Okay, 3 Stunden weniger, das heißt, ich muss irgendwie schneller arbeiten, effizienter werden. Ich muss Dinge, die mir vielleicht lieb geworden sind, auch mal fallen lassen. Das war ein Umgewöhnungsprozess, aber ich würde sagen, die meisten haben das so nach 3,4 Monaten dann auch rausgehabt und machen das tatsächlich gut, und die Kernfrage war ja, wie wir die Produktivität ansehen. Ich würde heute sagen, erstens: wir haben keine Messinstrumente, um diese Produktivität wirklich nachzumessen. Wir sind in einem sehr privilegierten Jobverhältnis, das heißt, wir müssen keine Maschinen bedienen, sondern wir arbeiten an Kreativen Arbeiten an Ausarbeitung, an Analysen. Da ist es schwierig, mit der Stoppuhr alles abzuschätzen. Aber vom Grundsatz her würde ich sagen, dass sich alle gut eingefunden haben oder der Großteil gut eingefunden hat, und und die Menschen, die jetzt gerade noch da stehen und sagen, ich kriege das noch nicht so gut gemanagt, um die kümmern wir uns jetzt in der nächsten Phase. #00:13:55-6#

Tobias Kirchhoff: Wie muss ich mir das aus Kundensicht vorstellen? Weil ich stelle mir ja dann auch wiederum vor, da ist eine Agentur, ihr habt Pitches etc. wo es wirklich Hochzeiten gibt. Dafür sind ja dann Agenturen bekannt, dass man dann wirklich viel, viel arbeitet, um dann wirklich punktgenau Sachen zu liefern. Erstens, wie geht ihr damit um, und zweitens, wie geht der Kunde damit um, oder merkt er davon garnichts? #00:14:17-6#

Markus Biermann: Das sind zwei große Fragen. Ich fang mal mit dem einen an. Also ich glaube, dass sowohl die Branche als auch wir als Cross Media dieses alte Bild der Werbeagentur, dass wir dem schon lange nicht mehr entsprechen. Das ist ein durchaus schleichender Prozess. Ich selber würde aber sagen, ich habe in meiner Zeit, als ich vor 30 Jahren oder so, so lange ist es her, für ein Network gearbeitet habe, mehr Wochenenden gearbeitet und mehr Überstunden gemacht, als ich sie jemals bei der Cross Media hinterher gemacht habe. Ich kann so schlecht sagen, woran das liegt. Das war sicherlich auch Zeitgeist und die Periode damals und unterschiedliche Sachen. Aber es war ein schleichender Prozess, bei dem wir als Cross Media aber ich glaube, die gesamte Branche eben auch gesehen hat, dass es ja auch gut geschulte Leute gibt, die reinkommen. Also wenn ich heute meine Anfangsarbeit einschätzen sollte im Vergleich zu unseren Leuten, die heute zu uns kommen, dann würde ich sagen: Die machen den Job, für den ich eine Woche gebraucht haben, machen die auch in zwei Tagen. Die können besser Präsentationen schreiben, die können besser Recherchetools nutzen. Also, da hat sich ja was getan. Das ist mal die generelle Geschichte. Wir sind nicht in einer Serie, die über Netflix läuft, und alte Bilder bedient. Das ist oft im Kopf noch, aber in der Realität ist das so nicht. Aber natürlich haben wir Kundendruck, und wir müssen Sachen fertig kriegen, und wir sind Dienstleister, und deshalb haben wir uns auch entschlossen, nicht auf die 4 Tage Woche zu setzen, sondern, und das habe ich eben gesagt, neben Human Centric gibt es einen Kunden, der bei uns im Mittelpunkt steht, oder die Kunden, und um das bestmöglich unter gewissem Zeitverzicht dann auch in die Tat umzusetzen, haben wir gesagt, wir wollen die Flexibilität, und das kommt unseren Kunden auch zugute. Also in dem Moment, wo ein Kunde heute anruft und eine Frage stellt und einen Zeitkorridor vorgibt, glaube ich, kann er besser auf ein Team zurückgreifen, als er es vorher konnte, weil wir eben dafür gesorgt haben, dass unsere Mitarbeitenden dann eben auch einen Ausgleich bekommen und er oder sie als Kunde nicht unbedingt Unmögliches von ihnen verlangt, sondern OK, greift vielleicht auch natürlich in seine private Planung gerade ein, und er muss länger arbeiten und so weiter. Aber er hat die Möglichkeit, und sie hat die Möglichkeit, das eben auszugleichen in der nächsten Woche oder sonst wann. Das heißt, ich glaube und bin fest davon überzeugt, dass unsere Flexibilität und der Stundenverzicht zwei Seiten der gleichen Medaille sind und ein Kunde das nicht negativ wahrnimmt, sondern eher im Gegenteil positiv. #00:16:50-8#

Tobias Kirchhoff: An dieser Stelle machen wir eine kurze Unterbrechung, die ich für einen Hinweis nutzen möchte. Wenn ihr Fragen, Anregungen oder eigene Themenvorschläge habt, dann schreibt uns gerne eine Mail an leadgut@tuv.com oder besucht uns auf unserer Webseite tuv.com/leadgut und wenn euch unser Podcast gefällt, freuen wir uns natürlich, wenn ihr ihn abonniert oder eine gute Bewertung schreibt oder am besten beides. Das war es auch schon. Weiter geht's mit dem Gespräch mit Markus Biermann. #00:17:22-9#

Tobias Kirchhoff: Ihr habt ja im letzten Jahr den Handelsblatt Mindshift Award in der Kategorie flexible Arbeitsmodelle in Gold, glaube ich, gewonnen. Macht das einen stolz? #00:17:36-3#

Markus Biermann: Doch, das macht einen stolz, weil man darf nicht unterschätzen, dass so eine Veränderung dann auch durchaus schwierig ist, durchzusetzen. Das heißt, man rechnet nicht mit den Widerständen aus der eigenen Company, aus unterschiedlichsten Gründen. Man kann gar nicht so viel verworren denken, wie dann bestimmte Vorbehalte zum Zuge kommen. Und dass man das dann bewerkstelligt, weil es gab Phasen, wo man auch sagen hätte sagen können komm, wenn das so kompliziert ist, dann lassen wir es. Und wir haben uns dann eben dazu durchgerungen, es trotzdem hinzubekommen, und sind vom Ergebnis überzeugt, und deshalb ist auch stolz auf diesen Preis, weil er eben dann wertschätzt, dass wir es getan haben und auf unsere Art und Weise und nicht wie auch immer eine Blaupause von anderen genommen haben. #00:18:22-6#

Tobias Kirchhoff: Du sagst gerade Widerstände, intern. Haben sich die Leute dagegen gewehrt, weniger zu arbeiten, oder ist es dieses Loslassen? #00:18:30-9#

Markus Biermann: Ja, das ist sicherlich ein Stück weit das Loslassen. Es ist aber grundsätzlich die Angst vorm Ungewissen. Was ich immer wieder nach vorne stelle, dass ich sage, wir haben mehr Freude am Unbekannten und neu Entdecken als Angst vor der Veränderung. Das, würde ich sagen, zeichnet die Cross Media aus. Aber trotzdem waren an diesem Prozess immer wieder Stellen, wo ich gedacht habe, warum glaubt ihr, dass das daraus folgt? Und wenn ihr wisst, dass das daraus folgt, dann lass uns doch gucken, dass wir das abschmälern, und was wären die Hilfsmittel, das abzuschmälern? Aber das kann ja nicht der Grund sein, es nicht zu tun. Es war Kontrollverlust, es war Angst vor mehr Verantwortung, mehr Führung durch die Führungsmitarbeitenden und mehr Aufwand bei ihnen, und der ist durchaus auch da. Also, das Argument ist da. Also in dem Moment, wo jemand frei seinen Ort wählen kann und derjenige, der die Gruppe führt, sagt, ich kann auf den gar nicht mehr so zugreifen, der muss ja geschult werden dahingehend, dass er den Zugriff trotzdem hat. Bei mir persönlich habe ich das Gefühl, ich kann mit dem Telefon jeden zu jeder Tageszeit eigentlich anrufen, aber per Teams habe ich ein Störgefühl, und das sind neue Dinge, die sich einfach eingewöhnen müssen und wo man auf der einen Seite mal Hilfsmittel ansetzen muss, auf der anderen Seite vielleicht auch Regularien aufsetzen muss und auf der anderen Seite eben das Zutrauen auch haben muss, dass es seinen Weg findet. Darin fühle ich mich durchaus bestätigt, aber natürlich war es kein Selbstläufer. #00:20:11-3#

Tobias Kirchhoff: Der hilft dann ja auch der Award, nach innen zu sagen, guckt mal, wir sind ja doch auf dem guten Weg, lass uns den weiter beschreiten! Aber so ein Wort wirkt auch nach außen, und da kommt für mich das Stichwort Arbeiterlosigkeit. Das heißt, wir alle merken ja, neue Leute zu bekommen, ist schwieriger und hilft dann aber bei euch, dass ihr sagt, hier, wir haben eine 35 Stunden Woche, wir haben einen Award bekommen, hilft sowas dann auch, gute Leute zu bekommen? #00:20:38-9#

Markus Biermann: Ich würde sagen, ja, unser Job ist dann rauszufinden, ob die deshalb kommen, weil sie bei uns glauben, das Paradies zu bekommen, oder ob sie wirklich angreifen wollen und die richtigen Dinge für uns auch tun wollen. Das ist aber der Job, den wir vorher auch hatten. Nein, ich glaube, wir haben das richtige Setup, um die richtigen Leute zu bekommen, und dieser Award und das Modell helfen uns schon grundsätzlich dabei, die richtigen Leute dann auch anzusprechen. Das stimmt. #00:21:05-9#

Tobias Kirchhoff: Was sagst du den Leuten, die sagen, ich bekomme keine Leute, ich bekomme nicht mehr genügend Nachwuchs? #00:21:13-2#

Markus Biermann: Auch das würde ich sagen, es gibt sicherlich Dinge, die wir in der Vergangenheit kolossal falsch gemacht haben als Gesellschaft, auf die wir alle nicht stolz sein dürfen. Also Langzeitarbeitslosigkeit, mangelnde Chancengleichheit, was ich ein großes Thema finde, was unmöglich ist, dass das nicht angegangen wird. Von daher glaube ich, wir haben durchaus Probleme, und die sind noch nicht gelöst, und die müssen gelöst werden. Auf der anderen Seite bin ich auch eben, oder sind wir es in der Branche und ich als Unternehmer gewohnt, dass eine Herausforderung, die heute existiert, morgen schon ganz anders sein kann. Also, du sprichst gerade von Arbeitermangel, Arbeiterinnenmangel. Jetzt kommt ChatGPT, also, da sind Interdependenzen, wo ich sage, weiß ich noch nicht, wie ich die auflösen kann. Und ich würde mal heute sagen, wenn du einem Mitarbeitenden ein gutes Setup bieten kannst, dann findest du auch den richtigen. Es dauert manchmal ein bisschen länger, und ich bleibe dabei, es liegt viel an einem selber, die richtigen Motivationen zu geben, damit die richtigen Leute auch kommen. Ich kann jetzt weniger für die Industrie sprechen, da sind schwierigere Faktoren sicherlich dabei. Aber für uns würde ich sagen, wenn wir nicht die richtigen Leute bekommen, dann liegt es erst mal an uns und nicht daran, dass möglicherweise Leute fehlen, sondern erst mal bei uns. Entweder sind wir nicht attraktiv genug, haben Dinge verschlafen oder besetzen die richtigen Dinge nicht richtig. Würde ich also immer erst mal an uns adressieren, und das war natürlich auch mit einem Antrieb, bei dem wir gesagt haben: Okay, unser Future Work Ansatz, der ist stimmig, und der wird uns helfen, die richtigen Leute dann auch für uns zu gewinnen. #00:22:57-9#

Tobias Kirchhoff: Was ist denn deine Erkenntnis aus vielen Jahren Arbeitserfahrung in Richtung Führung und damit auch dein Führungsverständnis? Was gibst du deinen Führungskräften mit? #00:23:11-9#

Markus Biermann: Das müsstest Du die besser fragen als mich, aber ich würde immer sagen, dass ich dafür gesorgt habe, dass ich hohes Vertrauen in sie setze, dass sie die Freiheit, die ich ihnen gegeben habe, bei der Entwicklung ihres Jobs, auch gewähren ihren Leuten und so viel Vertrauen in ihre Leute haben und so viel Freiheit, diesen Job so zu entwickeln. Das heißt, ich würde sagen, wir haben in der Cross Media sehr vielen Leuten einen Spaß an der Arbeit gegeben, der sich nicht zwingend im ersten Schritt danach richtet, was brauchen wir und wen setzen wir dafür ein? Natürlich auch, keine Sorge, aber immer auch geguckt, was für ein Potenzial in einem Menschen liegt, um daraus dann ihn oder sie dahin zu bringen, das voll auszuleben. Also, wir haben immer gesagt, Stärken stärken und Schwächen sind nicht so wichtig, die akzeptieren wir. Natürlich akzeptieren wir es nicht, wenn einer in Kundenmeetings Dinge tut, die wir nicht für gut empfinden. Natürlich nicht. Jetzt mache ich Dich nach. Also Tobias hat gerade den Finger in die Nase gesteckt. Ich weiß nicht, ob das zum Podcast jetzt gehört, aber egal. Aber genau, wenn, wenn sich also Menschen falsch verhalten, dann will ich ihnen das sagen dürfen, und das sage ich dann auch, und wenn sie nicht grüßen, sage ich ihnen das auch. Aber ich möchte, dass sie das Gefühl haben und die Freiheit haben, ihre Stärken voll und ganz in der Cross Media auszuleben, und die Schwächen akzeptieren wir, und manchmal kommt es zu dem Punkt, wo wir sagen, nee, komm bei allen Stärken, mit den Schwächen kommen wir nicht mehr klar, dann läuft das auf eine Trennung hinaus. Aber die Regel ist eher, dass wir so Leuten die Chance geben, sich zu entwickeln, die woanders vielleicht am System gescheitert wären oder sich nicht glücklich gefühlt hätten, und das, glaube ich, geht auf lange Sicht sehr, sehr gut und meinen Mitführenden würde ich immer sagen, guck mal, ob das in deinem Team eben auch so stimmt. Also nutzen wir die Stärken von XYZ wirklich ausreichend genug oder wäre der an anderer Stelle nicht besser aufgehoben oder was auch immer. #00:25:26-6#

Tobias Kirchhoff: Ihr habt dieses Future Work Paket jetzt aufgesetzt, zieht demnächst um in euer neues Kulturzentrum. Wenn du einen Blick in die Glaskugel mal wirfst, was kommt als nächstes, oder wie wird sich auch Arbeit weiterentwickeln? #00:25:44-7#

Markus Biermann: Also, was ich mir wünschen würde, ist, dass genau dieses intensive Problemlösungs-Arbeiten im neuen Gebäude und mit Future Work vollends zur Entfaltung kommt und dabei eben unterschiedlichste Generationen miteinander, unterschiedlichste Fakultäten miteinander um die beste Lösung für den Kunden streiten und in diesem Streit mit der bestmöglichen Lösung für den Kunden eben rauskommen. Das wäre das, wofür die Cross Media immer stand, und für die ich auch denke, gibt es einen Platz im Markt. Und das ist das, was ich mir träumen würde. Ja genau. Und ob das jetzt eher international oder weniger international ist, das wäre mir egal. Hauptsache, wir haben Kunden, die genau dieses Element zu schätzen wissen, also Kunden, die mit uns auf uns zukommen mit einer Aufgabenstellung, die für sie spannend, schwierig, herausfordernd ist, und die mit uns dann oder uns ins Boot holen, um mit uns dann eine wirkliche Lösung dafür zu erarbeiten. Das fänd ich super. #00:26:57-5#

Tobias Kirchhoff: Zum Abschluss unseres Gespräches möchte ich dich bitten, für unsere Hörerinnen und Hörer, die in der Regel auch Führungskräfte sind oder auf der Schwelle zur Führungskraft, zu mehr Verantwortung sind, aus deiner Erfahrung, aus deiner Arbeit in der Agentur, was ist der eine Tipp, wenn du einen Tipp geben darfst, den du unseren Hörern und Hörerinnen mitgeben sollst, worauf sollen sie achten? Was sollen sie machen? #00:27:26-4#

Markus Biermann: Das Wort oder die Phrase "geht nicht" streichen, also nicht mit dem üblichen sich zufrieden geben, sondern immer danach streben, das Unmögliche zu versuchen in dem Rahmen, in dem sie tätig sind, und nicht eilfertig das Wort "das geht doch nicht" zu hören oder selber zu sagen. #00:27:54-1#

Tobias Kirchhoff: Lieber Markus, das ist ein sehr, sehr schönes Schlusswort. Ich nehme mit, geht nicht, gibt's nicht, Human Centric kann ein super Ansatz sein in Richtung der Mitarbeiter, aber auch in Richtung der Kunden, das auszubalancieren, und ganz einfach Stärken stärken. Das hilft auch, um nach vorne zu kommen. Und an euch da draußen ein herzliches Dankeschön fürs Zuhören. Das war eine weitere Folge von lead:gut. Mein Name ist Tobias Kirchhof, und ich hoffe, ihr kommt inspiriert in euren Alltag zurück. Bleibt neugierig! #00:28:31-4#

Outro: lead:gut, Inspiration für Führungskräfte! #00:28:35-5#

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