Tobias Zimmermann - Arbeiterlosigkeit

Shownotes

„Wo sind nur alle hin?“ - In nur wenigen Jahren bremst „Arbeiterlosigkeit“ unsere gesamte Wirtschaft aus. Wie können wir dem Trend begegnen? Welche Rahmenbedingungen sollte die Politik schaffen, wie werden Unternehmen zu Arbeitskräfte-Magneten und was hat das mit ethischer Führung zu tun?

Arbeiterlosigkeit – das heißt schon jetzt: unterbesetzte Pflegestationen, Feuerwehren, die nicht mehr ausrücken können, Restaurants, in denen niemand die Bestellung aufnimmt und stundenlanges Warten auf den Security-Check am Flughafen. Und diese Phänomene sind nur ein Vorgeschmack.

Unser Gesprächsgast Dr. Tobias Zimmermann ist Arbeitsmarktexperte bei Stepstone. Er kann mit Zahlen belegen, was „Arbeiterlosigkeit“ bedeutet. Und als Group Evangelist von Stepstone geht er dorthin, wo es wehtut: Er trifft die Menschen, die längst erfahren haben, wie schwierig es ist, Teams aufzubauen und zu halten.

Seine Gegenstrategie liefert interessante Ansatzpunkte – und dazu gibt’s mehr im Podcast:

  • Warum es ohne Quereinsteiger nicht mehr geht
  • Warum attraktive Angebote für ausländische Fachkräfte unumgänglich sind
  • Was Bildungsoffensiven, Chancengleichheit und lebenslanges Lernen bedeuten
  • Wie ethische, faire sowie inspirierende Führungskräfte einen wesentlichen Beitrag leisten können

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/kompetenzwandel-in-krisenzeiten-all-1 https://www.stepstone.de/e-recruiting/die-grosse-arbeiterlosigkeit/ https://www.stepstone.de/e-recruiting/studien/ https://www.linkedin.com/in/zimmermanntobias/

Feedback, Fragen, Kritik oder Lob? Wir freuen uns über eine Mail an: leadgut@tuv.com oder besucht uns auf www.tuv.com/leadgut

Transkript anzeigen

Tobias Zimmermann: Wir müssen erst mal bei uns im Kopf unseren eigenen Biases überwinden, um zu einer wirklich gerechten Arbeitswelt zu kommen. Wir werden davon alle profitieren, wir brauchen es alle, wir wollen es alle. Ich verstehe, um ehrlich zu sein, nicht, warum wir nicht schon längst weiter sind. Aber das, was mich etwas optimistisch macht, ist: Die gesamte Entwicklung lässt uns schlicht und ergreifend keine andere Möglichkeit, als hier Fortschritte zu erzielen.

Intro: lead:gut - Inspiration für Führungskräfte.

Tobias Kirchhoff: Hallo ihr hört lead:gut - Inspiration für Führungskräfte, den Management Podcast von TÜV Rheinland. Ich bin Tobias Kirchhoff und gemeinsam mit meinen Gästen bespreche und hinterfrage ich aktuelle Leadership-Konzepte und -Ideen. Ich treffe mich hier mit Entscheider:innen aus Wirtschaft, Politik und Kultur, die mich interessieren, weil sie, wie ich finde, etwas zu sagen haben. Zu gesellschaftlichen Trends, aktuellen Debatten und Zukunftsvisionen. Ich möchte von meinen Gästen wissen, wie sie Verantwortung und Haltung leben in dieser Zeit. Was treibt sie an? Was inspiriert sie? Wie gehen Sie dabei vor? Und was ist Leadership im 21. Jahrhundert? Ich wünsche euch beim Hören viel Spaß, handfeste Inspirationen und vor allen Dingen nachhaltige Denkanstöße.

Tobias Kirchhoff: Wo sind nur alle hin? Titelt der Spiegel vor einigen Wochen, um dann zu bemerken Jetzt brennt die Hütte. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger meint, wir werden bald nicht mehr über Arbeitslosigkeit sprechen, sondern über Arbeiterlosigkeit. Die Welt fragt "Arbeiterlosigkeit - steht uns da eine unterschätzte Krise bevor?" Und Handelsblatt Chefredakteur Sebastian Matthes konstatiert "Das Problem der Zukunft heißt Arbeiterlosigkeit". Kurz - Arbeiterlosigkeit macht die Runde. Warum es Führungskräfte hochschrecken lassen sollte und wie sie ihren Puls wieder normalisieren, das erfahren wir heute im Gespräch mit einem, der diesen Begriff mitgeprägt hat und auf diesem Terrain zu Hause ist. Mein Gast ist Dr. Tobias Zimmermann. Er ist Arbeitsmarktexperte bei Stepstone, und das heißt, er kann mit Zahlen belegen, was Arbeiterlosigkeit bedeutet. Und als Group Evangelist von Stepstone geht er dorthin, wo es weh tut. Er trifft die Menschen, die längst erfahren haben, wie schwierig es ist, Teams aufzubauen und zu halten. Herzlich willkommen, Tobias!

Tobias Zimmermann: Ja, hallo. Ich freue mich sehr, dass ich hier bin.

Tobias Kirchhoff: Mal ehrlich, Auf dem deutschen Arbeitsmarkt gibt es mehr als 45 Millionen erwerbstätige Menschen, so viele wie noch nie. Wie kommen wir dann trotzdem dazu, über Arbeiterlosigkeit zu sprechen?

Tobias Zimmermann: Ja, das ist natürlich eine sehr, sehr gute Frage. Und da hast du eine, wie ich finde, sehr wichtige Information schon vorab gegeben, nämlich es sind so viele Erwerbstätige wie noch nie in Deutschland erwerbstätig, wie aber auch bald nie wieder sein werden. Es wurde auch mal von der am besten vorhersehbaren Krise überhaupt gesprochen, wenn wir auf die demographische Krise schauen. Aber die Babyboomer, die gehen jetzt so langsam Schritt für Schritt in Rente. Das ist ein Prozess, der jetzt begonnen hat. Und alleine bis 2030 werden uns verschiedenen Berechnungen zufolge 4 bis 6 Millionen Erwerbstätige fehlen.

Tobias Kirchhoff: Du sagst gerade diese Krise ist ja vorhersehbar gewesen, Man hat ja schon von Fachkräftemangel gesprochen, oder Frank Schirmer sprach schon vor einigen Jahren vom Methusalem-Komplott, also dass die Gesellschaft überaltert, der Club of Rome vor 50 Jahren schon, die Grenzen des Wachstums. Warum braucht es einen neuen Begriff Arbeiterlosigkeit?

Tobias Zimmermann: Warum braucht es neue Begriffe? Ja, weil wir auch noch nicht Hundertprozentig vorbereitet sind für diese Phase und für die Situation. Und woran liegt das? Ja, das ist so ein typisch menschliches Phänomen, dass wir bestimmte Dinge, die zu weit weg sind, auch nicht richtig fassen können. Wer tiefer einsteigen mag, dem sei das Phänomen des Hindsight Bias, den die Journalistin Fanny Jimenez vom Business Insider einmal in den Kontext dieser Diskussion gepackt hat, sehr ans Herz gelegt. Aber deine Frage war warum braucht es neue Begriffe? Und darauf möchte ich ganz gerne mit einem Beispiel oder mit einer kleinen Fabel antworten, die unser CEO Sebastian Dettmers, der diesen Begriff ja eingeführt hat, in die Debatte immer bringt. Und zwar gibt es dieses, diese Fabel von dem Kind, das immer Hilfe, Wölfe schreit und wir haben nicht Hilfe, Wölfe geschrien in der Vergangenheit, sondern Hilfe, Fachkräftemangel und Fachkräftemangel bezeichnet die Zeit in der in bestimmten Berufsgruppen ein erheblicher Mangel besteht, so dass dort die Produktivität, wie wir sie eigentlich möglich hätten und bräuchten, nicht gegeben ist. Und Fachkräftemangel, ich sage mal hoch 100 Fachkräftemangel auf alle Berufsgruppen ausgeweitet, das ist Arbeiterlosigkeit. Und damit wir nicht dem Fehler anheimfallen, irgendwann zu glauben, es ist doch nur ein Jux und wir wissen, womit wir es zu tun haben, es kommen gar keine Wölfe. In Form des demografischen Wandels werden die Wölfe sehr wohl kommen und deswegen haben wir so entschieden, diesen neuen Begriff zu pushen und freuen uns sehr, dass der in der Debatte immer mehr aufgegriffen wird.

Tobias Kirchhoff: Ja, ich hatte auch gelesen, Sebastian Dettmers sprach auch von einem neuen Narrativ, um einfach auch noch mal neue Akzente zu setzen. Du sprachst gerade über diese Wölfe. Kann man das in Zahlen beziffern, wenn wir über diese Arbeiterlosigkeit sprechen bis zum Ende unseres Jahrhunderts? Wie viel? Was wird uns da fehlen?

Tobias Zimmermann: Ja, eine gewaltige Menge, die wir uns kaum vorstellen können. Also die Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland, die schiere Anzahl dieser wird sich in Deutschland um 1/3 verringern. Und das Wichtige zu verstehen ist, ich glaube, du bist wahrscheinlich genau wie ich damit aufgewachsen, dass Überbevölkerung das große globale Problem ist. Ja, das ist definitiv auch ein Problem. Aber wenn man sich verschiedene Prognosen anschaut, ist eigentlich Afrika der einzige Kontinent, der noch wirklich stark wächst. Es gibt auch vereinzelte andere Länder, die noch stark wachsen, aber die meisten vor allem der stark industrialisierten Länder, deren Bevölkerung wird schrumpfen. Und jetzt kommt so ein Augenöffner den, den ich total unfassbar finde. China, 1,4 Milliarden Menschen aktuell, wird sich voraussichtlich bis 2100 halbieren. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, was das heißt. Andere europäische Länder, aus denen Menschen bevorzugt nach Deutschland kommen, wo wir als Unternehmen dann auch Fachkräfte noch zusätzlich nach Deutschland holen können und damit den Mangel ein bisschen dem ein bisschen entgegenwirken können, die trifft es noch viel härter. Südeuropa, Osteuropa, demzufolge wir haben hier ein gesamteuropäisches, ein globales Phänomen.

Tobias Kirchhoff: Das ist, glaube ich, der eine oder das eine Standbein dieses Phänomens. Das andere, würde ich jetzt mal sagen, ist das, was man auch so Big Quit nennt. Oder Great Resignation, das heißt die große Kündigungswelle, die ja gerade in Amerika extrem zuschlägt. Bei uns, also ich bemerke es selber auch bei uns kündigen oder wechseln vermehrt Leute. Ist das eine Welle, die jetzt nach Deutschland schwappt? Wird das noch schlimmer?

Tobias Zimmermann: Das ist so ein bisschen Deutschland spezifisch. Also wir sehe, dass die Great Resignation, das heißt, dass so viele Menschen freiwillig ihren Job wechseln wie noch nie in den USA, dass sich das zum Beispiel auch in Australien, in Großbritannien, in vielen anderen Märkten zeigt. In Deutschland hat es sich nicht als so eine Art Welle gezeigt. Deswegen haben wir die entsprechende Studie, die wir als StepStone dazu gemacht haben, als Silent. Also als leise Resignation bezeichnet. Warum? Weil wir in Deutschland ein anderes Phänomen sehen. Wir sehen nämlich eine ganz große Menge an Menschen, die noch nicht direkt in die Jobsuche eingestiegen sind, die noch nicht direkt kündigen, die aber offen sind zu wechseln. Und wenn wir uns vor Augen führen - Wo kommt die Great Resignation her? In den USA sehen wir eine Rekordzahl an offenen Stellen, die einer niedrigen Arbeitslosigkeit gegenübersteht. Und da sehen wir ein Millionengap dazwischen. Das heißt, es gibt deutlich mehr offene Positionen als Arbeitslose. Da sind wir in Deutschland noch nicht ganz. Aber wir sehen eben, wenn sich diese Entwicklung so fortsetzt und wenn die Erkenntnis darüber in den Köpfen der Menschen ankommt, wie gut ihre Position am Markt eigentlich ist, was uns dann bevorsteht. Jetzt lass mich noch anfügen, ich gehe nicht davon aus, dass wir eine solche Kündigungswelle auf einen Schlag in Deutschland bekommen, sondern das wird sich eben leise sukzessive immer weiter fortsetzen. Denn und da werden jetzt die HR Expertinnen und Experten unter den Zuhörern mir wahrscheinlich zustimmen, dass berufliche Karrieren immer flexibler werden, dass ich meinen Arbeitgeber häufiger wechsle. Das ist ein Trend, den wir auch schon seit zehn Jahren sehen. Aber der wird eben zunehmend zunehmen. Ganz schöne Wortkombination. Ganz einfach, weil ich die Auswahl habe.

Tobias Kirchhoff: Ja. Und wenn ich diese beiden Sachen jetzt zusammenbringe - Arbeiterlosigkeit, das heißt, es fehlen eh schon Stellen und dann Wechselbereitschaft, also aus Unternehmenssicht, aus deutscher Unternehmenssicht, dann stellt sich ja diese Grundfrage. Wie können wir das Niveau in Deutschland oder den Wohlstand oder unsere Gesellschaft, wie können wir das stabilisieren, damit wir unsere Gesellschaft, ich sage mal für unsere Kinder einfach sicher machen, damit sie in Frieden und in Wohlstand leben können?

Tobias Zimmermann: Ja, das ist eine Mammutaufgabe. Also wir werden uns nicht vorstellen können, alleine wie der Arbeitsmarkt schon 2030 aussieht, wenn so viele Millionen Menschen schlicht weg sind. Wir haben ja gehört, wir werden weniger. Und es gibt natürlich noch andere Instrumente. Wir können zum Beispiel über Migration kommen. Die USA sind ja sehr erfolgreich, sind das attraktivste Zielland, vom Tellerwäscher zum Millionär. Dieses Narrativ, das zieht immer noch. Deswegen schafft es die USA zumindest ihre Erwerbsbevölkerung relativ konstant zu halten über Migration, auch wenn die Bevölkerung an sich dort ebenfalls nicht weiter wächst. Genauso wie hier auch. Und der zweite Punkt ist eben, die Qualität von Arbeit zu erhöhen, sprich uns alle individuell produktiver zu machen. Und auch da haben wir eine große Herausforderung vor uns. Denn überraschenderweise, man will ja meinen durch Smartphone und Co und die ganze Rechenleistung wären wir schon so unfassbar viel produktiver. Die Wahrheit aber ist, in den letzten 20, 30 Jahren hat sich Produktivitätswachstum technisch sehr wenig, zu wenig, getan. Und auch das ist wieder kein rein deutsches Phänomen. Das geht auch allen industrialisierten Staaten so.

Tobias Kirchhoff: Lass uns noch mal bei dem ersten ansetzen, bei dem mehr arbeiten. Das eine ist ja Migration, da tut sich ja Deutschland traditionell schwer. Wollen wir es mal so formulieren. Was müssten wir tun? Was müssten wir anders machen, damit wir auch für Migranten und vor allem für Erwerbsmigranten attraktiver werden?

Tobias Zimmermann: Erst mal müssen wir, glaube ich, unsere Einstellung dazu grundlegend überdenken. Wenn wir überlegen, was für ein Narrativ wir in Deutschland mit Migration verbinden, dann wird damit häufig auch populistisch Wahlkampf gemacht. Dann besteht häufig die Gefahr vor zu vielen Menschen, die aus Fluchtgründen zu uns kommen, was ja auch erst mal eine humanitäre Frage ist, sich da entsprechend, ich glaube, als als eine der größten Volkswirtschaften der Welt darf man sich da ruhig auch entsprechend hilfsbereit positionieren. Aber darum geht es ja gar nicht. Ich hatte vor kurzem mit der CEO der ReDi School of Governance, die sich darum kümmert, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland noch mal eine IT Fortbildung bekommen und die dann sehr erfolgreich auch sehr große Unternehmen hier in Deutschland vermittelt, IT Leute brauchen wir ja alle, also wer braucht die nicht, und mit der dazu gesprochen und die hat auch gesagt, wir müssen aufhören mit diesem Stigma des Refugees, der Geflüchteten zu arbeiten, sondern wir müssen erkennen, was dahinter ist. Natürlich Menschen mit einer Fluchtbiografie. Das muss man auch immer im Hinterkopf behalten, dass man da empathisch drauf reagiert. Aber wie ich schon sagte, darauf so sehr die Debatte zu verengen, ist vollkommen falsch. Und als Unternehmen muss ich mich entsprechend aufstellen. Dass ich für internationale Fachkräfte attraktiv bin, bleibe, viel attraktiver werde. Und da gibt es eine ganze Reihe an Maßnahmen, die ich dazu implementieren kann.

Tobias Kirchhoff: Und ich glaube, so eine der schnellsten Maßnahmen wäre ja auch einfach mal die Anerkennung oder die schnelle Anerkennung von Abschlüssen auch aus dem Ausland und auch eher unbürokratisch die Leute hier in den Arbeitsmarkt letztlich zu bringen.

Tobias Zimmermann: Definitiv. Das ist dann auf politischer, gesellschaftlicher Ebene. Die Forderung steht völlig berechtigterweise im Raum und auf Arbeitgeberseite, als Führungskraft glaube ich, ist es für mich erst mal ganz wichtig, ja mich selber offen zu machen. Den berühmten Mind Shift, den einzugehen. Denn wenn ich internationale Kräfte hole, dann habe ich Vielfalt. Wir alle wissen, Vielfalt macht laut zahlreicher Studien erfolgreicher, Macht attraktiver, macht viel besser, ist aber auch im ersten Schritt mal anstrengend. Ich muss überlegen, wie gehe ich mit Sprachen um? Wie gehe ich mit bestimmten kulturellen Verhaltensweisen oder ähnlichen Denkmustern um, damit ich eine gewisse interkulturelle Kompetenz aufbaue? Dass ich schaue, Wie kann ich die Menschen, die ich vielleicht hierhin hole, ist ja immer ein Riesenschritt, auch wenn die globale Welt gefühlt kleiner wird, in ein anderes Land zu gehen, wie kann ich es den Menschen vereinfachen, hierhin zu kommen und dazu Leute vielleicht auch einzustellen, ein Programm aufzusetzen, mich hier attraktiv zu machen, die Leute beim Ankommen zu unterstützen, vielleicht auch ein Netzwerk zu bilden. Das Beste, was Menschen beim Ankommen helfen kann, sind wiederum andere Menschen. Und da kann ich am besten auch in meinen Unternehmen schauen, aus welchen Ländern habe ich denn schon Leute hier? Kann ich vielleicht über die wiederum andere erreichen? Sind das Role Models im wahrsten Sinne des Wortes? Also du merkst, ich komme jetzt hier schon so ins Reden. Ich will nicht zu viel unsere Redezeit verwenden, aber es gibt da ganz viel, was ich machen kann. Das Allerwichtigste ist aber, und dazu kann ich bei den Führungskräften nur appellieren Seid offen dafür und überlegt euch, was für Wünsche, Bedürfnisse diese Menschen haben. Der Arbeitsmarkt wird so oder so immer globaler werden und übrigens auch nicht nur in eine Richtung. Wir müssen auch schauen, dass uns die, die schon da sind, nicht verlassen in andere Märkte, die vielleicht attraktiver sind.

Tobias Kirchhoff: Ja, und ich denke auch wenn wir Leute holen, muss man auch das Umfeld beachten. Also nicht nur den einen Arbeiter, die Arbeiterin sehen, sondern die haben ja Familie, denen man auch eine neue Heimat oder etwas geben muss, damit sie sich hier wohlfühlen. Und ich glaube, das wird in Deutschland auch immer noch sehr, sehr stark unterschätzt.

Tobias Zimmermann: Genau das hat eine gesellschaftliche Ebene, eine politische Ebene und natürlich auch eine wirtschaftliche Ebene aufseiten der Unternehmen. Ich glaube, auf jeder Ebene kann man unterstützen und wir brauchen auf allen Ebenen ein Umdenken, und zwar schnell, um das Ziel zu erreichen.

Tobias Kirchhoff: Da gibt es ja dann auch noch die Möglichkeit, Potenziale zu heben. Gerade wenn man daran denkt, wie Deutschland mit Frauen umgeht, sage ich mal, systematisch. Und ich denke auch noch, dass das gesamte Thema Rentenaltererhöhung das ist ja auch noch mal so eine Stellschraube, wo man dann sagen kann, muss, hier haben wir eigentlich auch noch Ressourcen für den Arbeitsmarkt.

Tobias Zimmermann: Du machst es aber die ganz großen Themen alle drauf. Okay, zuerst mal auf das Thema Frauen geschaut und ich glaube, das ist eins, wo wir in Deutschland, wo wir zwar Fortschritte gemacht haben, wenn man auf das Thema Erwerbsbeteiligung schaut, wo wir aber auch immer noch riesige To dos vor uns haben. Wir haben immer noch einen Gender Pay Gap, wir haben immer noch eine deutlich höhere Teilzeitquote. Und bevor ich jetzt in die Details gehe, auch das ist für mich eine ganz klare Mindset-Frage. Wir haben in Deutschland immer noch ein viel zu konservativ geprägtes Verständnis von Familie, von mit Geschlechtern assoziierten Rollenbildern, was es Frauen ja auch schlichtweg häufig unmöglich macht, das Richtige zu tun. Das brauche ich auch nicht zitieren, dass es gerade im Falle der Familiengründung Frauen häufig nur falsch machen können, will ich gar nicht in der Tiefe darauf eingehen. Aber wir müssen erst mal bei uns im Kopf unsere eigenen Biases überwinden, um zu einer wirklich gerechten Arbeitswelt zu kommen. Wir werden davon alle profitieren. Wir brauchen es alle, wir wollen es alle. Ich verstehe, um ehrlich zu sein, nicht, warum wir nicht schon längst weiter sind. Aber das, was mich etwas optimistisch macht, ist, ist ja auch der Hintergrund dieses Gesprächs. Die gesamte Entwicklung lässt uns schlicht und ergreifend keine andere Möglichkeit, als hier Fortschritte zu erzielen.

Tobias Kirchhoff: Ich denke, aufs Rentenalter brauchen wir gar nicht so groß eingehen. Ich glaube da ist jedem klar, dass das natürlich bedeutet, A) länger zu arbeiten, um dann eben auch später in Rente zu gehen. Man hat einen doppelten Effekt. Weniger Rentner auf der einen Seite und auf der anderen Seite mehr produktivität. Und da springe ich dann aber direkt rüber, wiederum zur Qualität der Arbeit. Wie gesagt, wir haben heute 45 Millionen Erwerbstätige. Wie können wir bei denen die Qualität heben? Ihr sprecht vom Upgrade der Arbeit bzw. auch Upgrade von Bildung, weil sie brauchen ja andere Kompetenzen vielleicht in der Zukunft

Tobias Zimmermann: Zukunft. Ja natürlich. Also wenn weniger Menschen da sind, die aber dasselbe bzw wir wollen ja auch weiter wachsen bzw sogar noch mehr leisten müssen als zuvor eine größere Anzahl, dann müssen wir die individuell produktiver machen und das geht nur durch höherwertige Jobs. Und dementsprechend brauchen wir einen ganz neuen Anspruch an Bildung. Und zwar das berühmte lebenslange Lernen. Wir werden auch nicht mehr nur eine Karriere haben in unserem Leben, sondern drei, vier vielleicht, Karrieren, Berufe. Ich finde das übrigens gar nicht so schlecht. Wie aufregend ist das denn, wenn ich in meinem Leben drei, vier verschiedene Berufe lernen kann? Einfach, weil sich die Arbeitswelt so schnell wandelt. Das ist doch durchaus positiv. Und lass mich vielleicht noch ein einen Punkt sagen, weil der glaube ich sowohl diesen Punkt als auch die zwei vorher noch angesprochenen Punkte länger arbeiten und auch gerechter alle mit einbeziehen sehr gut integriert. Wir brauchen eine stärker individualisierte, wir brauchen eine Menschenzentrierte Arbeitswelt. Was heißt das? Wir müssen darauf schauen, dass wir nicht am Reißbrett entworfen haben, wie wir meinen, wie Jobs unbedingt ausgeübt werden sollen, sondern wir müssen schauen, wie jedes Individuum bestmöglich performen kann. Das kann in Richtung der Diskussion, in Richtung Flexibilität gehen. Aber nicht nur in Ort oder Zeit, sondern vielleicht auch in Arbeitsform. Gehe ich mal kurze Zeit in Teilzeit, gehe ich wieder auf Vollzeit, mache ich mal ein Sabbatical. Das ist in der Hinsicht, das betrifft aber eben auch sukzessive Weiterbildung, die die einzelnen Menschen brauchen, individuelle Karrierepfade. Also da kommt ganz schön was auf uns zu, das zu managen, wird jetzt wahrscheinlich die eine oder andere Zuhörerin, der eine oder andere Zuhörer denken. Das ist richtig, aber ich glaube, in diese Richtung zu gehen ist erstens führt auf ein Ziel hin, das sehr erstrebenswert klingt, und macht uns zweitens massiv besser. Denn wenn ich die Arbeit individuell stärker auf die Menschen zuschneide, dann sind die natürlich zufriedener, gesünder und produktiver.

Tobias Kirchhoff: Und es bedeutet auch, dass der Einzelne häufig auch sein Mindset ändern muss, weil lebenslanges Lernen hört sich ja ganz toll an, aber ich erlebe das manchmal auch, wie schwer ich mich auch tue, dann doch wieder neue Sachen nicht nur dazuzulernen, sondern mich auch auf neue Situationen komplett neu einzustellen.

Tobias Zimmermann: Ja, auf jeden Fall. Das müssen wir akzeptieren. In unseren Befragungen im Übrigen zeigen das ganz viele, dass sie das schon haben, auch und insbesondere unter den älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von denen wir vielfach hören, dass die sich leider immer noch ein bisschen unterschätzt fühlen, wenig wertgeschätzt fühlen. Ich gebe Unternehmen immer den Tipp, je nach Bereich natürlich, aber gebe ich gerne den Tipp, zu schauen, Schaut doch mal, ob ihr spezifisch über 50-jährige ansprechen könnt oder sogar über 60-jährige. Ein halbes Jahr Training on the job, wenn jemand noch fünf bis sieben Jahre arbeitet, das zahlt sich definitiv aus.

Tobias Kirchhoff: Jetzt mal Hand aufs Herz. Was kann ich heute konkret als Führungskraft, als Top Führungskraft, als Geschäftsführer tun, um in dieser Arbeiterlosigkeit, in dieser Silent Resignation, Wie kann ich da Mitarbeiter gewinnen?

Tobias Zimmermann: Nein, ich muss mich grundlegend erst mal damit auseinandersetzen, was für Vorteile kann ich bieten? Wie kann ich die verstärken? Wie kann ich ein Menschen- und Mitarbeiterzentriertes Unternehmen werden und wie kann ich entsprechend auch meine Ansprache ausgestalten? Und jetzt sind wir wieder, das wird, glaube ich, das Leitbild dieses Gesprächs, jetzt sind wir wieder beim Mindset. Ich muss verstehen, dass wir jetzt wirklich einen Bewerberinnenmarkt haben. Das heißt, ich kann nicht mehr auf die eierlegende Wollmilchsau warten. Ich kann es mir nicht leisten, Ewigkeiten damit zu warten, bis ich mich zurück melde. Ich muss Transparenz schaffen über den Prozess, was die Menschen zu erwarten haben. Denn ganz ehrlich,alleine schon der Prozess der Ansprache ist weitgehend immer noch nicht so effizient, wie er eigentlich sein könnte. Und der ist ja die erste Probe aufs Exempel, wie die Unternehmenskultur letztlich ist. Und was glaubst du, wo werden die Leute unterschreiben, wenn sie 2, 3, 4 Angebote gleichzeitig haben? Ich glaube eher bei denen, die einen sehr effizienten Prozess haben, wo man schnell ins Gespräch miteinander kommt und nicht bei denen, die 2, 3 Wochen auf sich warten lassen.

Tobias Kirchhoff: Ja, ich glaube, der Arbeitsmarkt / Arbeitermarkt entwickelt sich diametral zum Marketing. Vom Marketing waren wir ja früher sehr im Push Marketing, jetzt im Pull Marketing. Und der Arbeitsmarkt entwickelt sich eigentlich genau umgekehrt, dass man früher gepulllt hat. Also man hat geguckt, wer bewirbt sich denn alles und heute muss ich ja aktiv auf die Leute zugehen, um sie zu bekommen.

Tobias Zimmermann: Es ist ein sehr schönes Bild. Ich sage auch immer, wir müssen Jobs so behandeln und betrachten, wie wir das mit unseren Produkten tun. Und genauso müssen wir sie an die Frau, an den Mann, unter die Menschen bringen.

Tobias Kirchhoff: Wenn wir jetzt mal uns die Sicht oder die andere Sicht annehmen, also unsere Sicht, die des Arbeitnehmers, was für Zeiten kommen auf uns zu, werden wir Traumgehälter bekommen und in einem Paradies leben, wo wir sagen och heute mach ich diesen, morgen jeden Job oder wird sogar wird es schwieriger werden, weil es wirtschaftlich schwieriger wird, weil es vielleicht durchschlägt, dass wir nicht mehr die Qualität, die Produktivität haben? Was glaubst du?

Tobias Zimmermann: Na, erst mal bin ich grundlegend Optimist. Deswegen sehe ich es schon sehr positiv. Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir jetzt bald das Land haben, in dem Milch und Honig fließt. Ich muss halt auch immer, es ist eine sehr komplexe Welt. Es ist ja heute schon eine sehr komplexe Welt und sie wird noch komplexer werden, auf die wir da zusteuern. Das heißt, ich muss auch an meiner, die Amerikaner sagen Employability, ich muss an meinem eigenen Wert stetig arbeiten. Dass die eine Ausbildung schon nicht mehr reicht, darüber reden wir auch schon seit 15 Jahren. Aber das wird natürlich massiv stärker werden. So, jetzt so viel die Ansprüche, die die Welt an mich richtet, gleichzeitig aber, ja, ich kann mich selber auch wie eine Art Aktie am Aktienmarkt betrachten. Die weltpolitische Lage hat selbstverständlich ihre Auswirkungen und das wird auch den Arbeitsmarkt betreffen. Aber das ist ja bei Aktienportfolios auch so, die sehen ja aktuell auch ein bisschen traurig aus. Aber die Experten sagen, liegen lasse. Und genauso muss ich meine eigene Arbeitskraft, wenn ich denn sukzessive da rein investiere, up to date bleibe, auch betrachten. Das Mag kurzfristig mal nach unten gehen oder stagnieren, langfristig ist das eine Gewinneraktie, auf die ich da setze. Da werden die Chancen immer größer und dementsprechend selbstbewusst sollten die Leute auch auftreten.

Tobias Kirchhoff: Na ja, also wirklich auch wie ein Wein sich die Zeit nehmen, damit man gut reifen kann, aber nicht zu lange liegen bleiben, damit es nicht umkippt. Das ist, glaube ich, auch wichtig.

Tobias Zimmermann: Ja, das stimmt. Jetzt, um wieder unseren CEO zu zitieren, der sagt, wir Deutsche und ich meine, wir sind im Schnitt elf Jahre bei einem Arbeitgeber, in den USA sind es jetzt, will ich nichts Falsches sagen, auf jeden Fall deutlich weniger. Ich meine vier, fünf Jahre, und der sagt Na ja, wir Deutschen, wir sind im Job häufig so ein bisschen in so einer Dauerehe gefangen / und die Amerikaner befinden sich mehr in so einer Art Dauer-Honeymoon. Ja, und das ist etwas, da müssen wir auf beiden Seiten des Arbeitsmarktes hinkommen, uns entsprechend flexibel aufzustellen, auch einfach stärker und häufiger zu wechseln, wenn es das Richtige ist. Denn wenn ich heute das Perfect Match habe, was wunderbar ist, genau das wollen wir erzielen. Da wollen wir auch als Stepstone helfen, dann ist das super. Das heißt aber nicht, dass es in fünf Jahren immer noch das Perfect Match ist. Und da muss ich mir in die Augen schauen und sagen, vielleicht ist eine andere Position auch die richtige. Und es kann übrigens auch im eigenen Unternehmen sein. Ich muss nicht immer extern wechseln, aber manchmal ist das dann auch das Richtige und das ist dann auch für beide Seiten nicht falsch.

Tobias Kirchhoff: Also nicht mehr die Ehe, die ewig halten muss, sondern eher der Lebensabschnitts Gefährte, der jetzt zu meinem Leben passt, sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. Das würde dann passen. Du sprachst eben von Employability. Was gehört für dich zur Employability? Das heißt also, dass der Mitarbeiter ja einfach arbeitsfähig ist.

Tobias Zimmermann: Das wird in Zukunft und da gibt es relativ viel konsistente Forschung zu, die sagt Was sind die Future Skills? Wir haben ganz viele von diesen englischen Buzzwords hier drin. Entschuldige dafür, aber es sind einfach die Begriffe, die in der Debatte genutzt werden. Das heißt natürlich, dass ich diese Zukunftsfähigkeiten auf mich vereine oder sehe zu, dass ich darin stark bin. Was sind das für Fähigkeiten? Das heißt nicht, dass wir jetzt alle programmieren müssen, um Gottes Willen. Ganz viele Programmieraufgaben werden in Zukunft wahrscheinlich auch von anderen Programmen übernommen. Demzufolge das muss es nicht sein. Nein, ich muss mich auf die ur Fähigkeiten konzentrieren. Was können Maschinen nicht? Kreativ sein, Problemlösungskompetenz. Aber vor allem, und das ist für mich der Master Future Skill, Ich muss anpassungsfähig sein. Und jetzt kommen wir wieder zurück zum Mindset, auf der individuellen Ebene. Dieser Anpassungsfähigkeit muss ich positiv gegenüberstehen. Und das ist etwas, was ich den Deutschen nur zurufen kann. Weil wir sind immer ein bisschen zurückhaltender als die Amerikaner oder als andere hier. Für uns ist es noch dieses Sicherheitsdenken. Und ich bin auch überzeugt, dass in 100 Jahren, wenn wir eine Befragung machen, die Deutschen immer noch sagen werden, Jobsicherheit ist für mich ganz wichtig. Ich bin aber davon überzeugt und hoffe auch darauf, dass das Verständnis dessen, was ich denn unter diesem Sicherheitsempfinden verstehe, dass sich das ein Stück weit ändert und dass ich sehe, in einem solchen Arbeitnehmermarkt mit so vielen Lern- und Jobangeboten. Wenn ich in mich investiere, dann werde ich auch einen Return on Invest erhalten, in Form eines guten Jobs. Dass sich das lohnt, dass das ein Sicherheitsgefühl gibt und dass das vielleicht auch ja positiv aufgenommen wird, zu sagen Hey, ich habe so viele Chancen, das begreife ich doch positiv, auch wenn ich mich vielleicht nicht auf Ewigkeiten an dieselbe Stelle binde.

Tobias Kirchhoff: Wir reden die ganze Zeit, wir kommen immer wieder drauf, Mindset. Große Veränderung. Der deutsche Michel muss offener werden. Der muss einfach positiver werden und Veränderungen gegenüber stellen. Da stehen uns noch ganz, ganz große Herausforderungen in der Gesellschaft, in den Teams und auch für jeden Einzelnen an. Glaubst du, dass wir das schaffen können in Deutschland?

Tobias Zimmermann: Wir müssen. Es bleibt uns nichts anderes übrig. Ansonsten kommen Szenarien, über die ich gar nicht nachdenken will. Ich glaube aber, insbesondere die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass wir doch anpassungsfähiger sind, als wir meinen. Und wenn wir das alles zu Ende denken, dass wir eine Arbeitswelt haben, die wertschätzend gegenüber allen, gegenüber ganz vielfältigen individuellen Bedürfnissen und Stärken auftritt, die effizienter ist, die Menschen schneller in Jobs bringt, die tolle Lernmöglichkeiten bietet, die viel individueller auf mich zugeschnitten ist. Das ist doch großartig. Und dass wir auf dieses Ziel gerade zusteuern könnten, schlicht und ergreifend, weil es ökonomisch ausweglos ist. Das macht mich optimistisch und mich als Menschen, der sich so aktiv mit dem Arbeitsmarkt befassen darf, auch total aufgeregt. Weil ich finde es super spannend zu beobachten, was sich da wie jetzt gerade entwickelt.

Tobias Kirchhoff: Das würde mich nämlich auch noch interessieren. Du bist ja total viel unterwegs. Als Evangelist von Stepstone bist du der Prediger, der auch immer rausgeht, der, der viele Menschen trifft. Und wenn man jetzt mal außerhalb der Bubble ganz bewusst guckt, weil klar, innerhalb der Bubble ist das allen klar, da ist man ja auch immer Konsensgetrieben, sonst wäre man ja nicht in der Bubble. Aber du hast ja wirklich viele Kontakte, viele Veranstaltungen. Wie wird das da draußen wahrgenommen? Oder gibt es sogar etwas, wo du sagst, Mensch, das beeindruckt mich, dass da Leute schon wirklich unterwegs sind.

Tobias Zimmermann: Ach, mich beeindruckt total vieles. Also wenn ich mal eine Lanze brechen darf an der Stelle zum Beispiel für die Deutsche Bahn, die ein wahnsinnig Zahlengetriebenes Recruiting auf die Beine stellt. Die stellen über 20.000 Menschen jedes Jahr an, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist eine ganze Kleinstadt und die sind da, glaube ich, ganz weit fortschrittlich. Das ist super spannend, was die tun. Die haben schon so den ersten Schritt gegangen in Richtung individualisiertes Reward System, in dem die Menschen da jedes Jahr entscheiden können, möchte ich mehr Gehalt oder möchte ich mehr Zeit, sprich mehr Urlaubstage, weniger Arbeitszeit? Also da sind schon ganz viele spannende Ideen, die schon so ein bisschen in die Richtung deuten, wo es in Zukunft hingehen wird. Aber gleichzeitig, völlig richtig, sehe ich in Deutschland auch immer noch eine relativ große Zurückhaltung, die natürlich durch die Krisensymptome und die teils niederschmetternden Nachrichten da draußen natürlich auch bekräftigt wird. Das kann ich auch komplett nachvollziehen. Das geht ja an einem selber nicht spurlos vorbei. Trotzdem kürzlich eine Studie gemacht und mal gefragt, wie die Menschen ihre Position auf dem Arbeitsmarkt bewerten und da lagen, Ich versuche es mal möglichst einfach auszudrücken, die Deutschen haben so mehrheitlich immer noch gesagt, der Arbeitgeber ist eigentlich im Vorteil, ist noch kein Markt zu meinen Gunsten. Während die Amerikaner schon massiv im Selbstbewusstsein waren und ungefähr doppelt so stark gesagt haben, Nö, das ist ein Arbeitnehmer Markt. Die Power ist auf meiner Seite. Da siehst du so ein bisschen den Unterschied. Und da dieses wie du in den Wald rufst, so schallt es heraus. Wenn ich selbstbewusst auftrete, dann kriege ich da glaube ich auch was für.

Tobias Kirchhoff: Ja, leider sind wir schon am Ende. Also ganz, ganz spannend die Unterhaltung. Und ich würde dich zum Ende einfach noch mal bitten für unsere Hörerinnen. Welche Botschaft möchtest du ihnen mitgeben?

Tobias Zimmermann: Positiv sein. Ihr könnt jetzt die Arbeitswelt von morgen gestalten. Das klingt jetzt wirklich sehr wie so ein Prediger. Aber es ist ja so und das Schöne ist, wer jetzt ein besserer Arbeitgeber ist, ich muss nicht den großen Wurf auf einmal machen. Kleine Schritte reichen vollkommen. Aber wer diese kleinen Schritte jetzt macht und einen Tick schneller ist als die Konkurrenz, der hat den größten und entscheidendsten Wettbewerbsvorteil überhaupt, denn der hat die Leute und die anderen haben sie nicht.

Tobias Kirchhoff: Das war ein sehr schöner letzter Kommentar. Also ich habe heute gelernt, dass nicht Arbeitslosigkeit, sondern wirklich die Arbeiterlosigkeit zusammen wahrscheinlich mit Klimaschutz die Herausforderung der kommenden Jahre sein wird. Und ob uns das gelingt, 200 Jahre nach der industriellen Revolution letztlich eine Arbeitsmarktrevolution hinzubekommen, das hängt ja davon ab, wie wir unser Mindset einstellen können. Und ich persönlich freue mich sehr, dass Menschen wie Du, Tobias, dass die nicht müde werden, auch als Prediger rauszugehen und dafür zu kämpfen, weil ich glaube, nur so werden wir es erreichen können, dass wir auch für unsere Kinder eine Zukunft schaffen, wo sie sagen können, die ist lebenswert.

Tobias Zimmermann: Ja, vielen lieben Dank für die Gelegenheit, hier zu predigen. Im Übrigen tue ich das sehr gern, aber eben auf Basis Zahlen, Daten, Fakten und weniger Glaubenssätzen. Ja, danke, dass ich hier sein durfte. Richtig cooles Gespräch.

Tobias Kirchhoff: Danke schön. Und bis bald.

Tobias Zimmermann: Vielleicht bis bald.

Tobias Kirchhoff: Und an euch da draußen ein herzliches Dankeschön fürs Zuhören. Ich freue mich sehr, wenn ihr Anmerkungen, Fragen, Kritik oder Lob habt. Schreibt mir an leadgut@tuv.com oder besucht uns im Internet unter tuv.com/leadgut. Ich hoffe, Ihr kehrt inspiriert in euren Arbeitsalltag zurück. Bleibt neugierig.

Outro: lead:gut - Inspiration für Führungskräfte.

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